Nordmord
Städtchen gebummelt und hatten anschließend in einem kleinen Restaurant zu
Abend gegessen. Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie sie über ihre
Exfreunde gelästert hatten. Wie zwei Teenager hatten sie zusammengesessen und
gekichert.
Ganz in Gedanken bemerkte sie gar nicht, dass Malte die
Kneipe betrat. Zielstrebig steuerte er auf ihren Tisch zu und setzte sich
unaufgefordert auf den Stuhl gegenüber. Sie erschrak ein wenig. Nicht so sehr
über sein plötzliches Erscheinen, sondern mehr über sein Aussehen. Unrasiert
und offensichtlich ungewaschen. Jedenfalls roch er so. Er bestellte ein Bier.
»Und du bist eine Freundin von Heike?« Er musterte sie
ungeniert.
Marlene setzte sich gerade auf, verschränkte die Arme vor der
Brust.
»Ja, und woher kennst du sie?«
Er erzählte, dass er Heike bei der Arbeit kennengelernt
hatte. Er sei als Pfleger tätig und hin und wieder helfe er auch in der Klinik
in Niebüll aus. Sie seien öfters miteinander ausgegangen. Essen, Tanzen und so.
Auch am Montag. Da habe er sie das letzte Mal gesehen.
Ob Heike hatte anklingen lassen, dass sie weg wolle oder dass
sie etwas vorhabe? Nein, darüber hatten sie nicht gesprochen. Heike sei wie
immer gewesen. Sie hatten zusammen gegessen, einen netten Abend verbracht.
Anschließend habe er sie zu ihrem Wagen begleitet. Erst Marlenes Anruf hatte
ihn daran erinnert, dass Heike sich am Mittwoch bei ihm hatte melden wollen.
Nun sei auch er ein wenig beunruhigt.
Sie wusste, dass er log, und fragte sich, warum. Tom hatte
ihr erzählt, was der Wirt im ›Einstein‹ beobachtet hatte. Sollte sie ihn damit
konfrontieren?
Er zündete sich eine Zigarette an.
»Und ihr habt euch nicht gestritten? Oder ist sonst
vielleicht etwas vorgefallen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nichts, rein gar nichts.«
Tom hatte den Frühstückstisch abgeräumt, das
Geschirr abgewaschen, gestaubsaugt und gebügelt. Nun saß er am Küchentisch und
versuchte, sich auf einen Zeitungsartikel im ›Nordfriesland Tageblatt‹ zu konzentrieren,
als das Telefon klingelte.
Es war Haie.
»Und, habt ihr was von Heike gehört?«
»Nein, und Marlene trifft sich ja gerade mit diesem Malte.
Ich bin ein wenig beunruhigt. Wer weiß, wie der drauf ist. Der Wirt gestern hat
ihn nicht gerade freundlich beschrieben.«
Haie bot an, dass er in der Mittagspause vorbeischauen könne,
aber Tom sagte:
»Nee, besser, ich hole dich ab und wir gehen irgendwo eine
Kleinigkeit essen.«
Pünktlich um 12 Uhr parkte er den Wagen hinter der
Grundschule, an der Haie als Hausmeister arbeitete. Durch einen kleinen Gang
betrat er den Schulhof, auf dem der Freund gerade das Laub zusammenfegte. Als
er Tom sah, stellte er den Besen schnell zur Seite. Die Arbeit konnte warten.
Nun war es erst einmal wichtiger, für den Freund da zu sein.
Sie hatten sich letztes
Jahr kennengelernt. Tom war aufgrund eines Todesfalls nach Risum-Lindholm
gekommen. Bei der Regelung des Nachlasses war er auf einige Ungereimtheiten in
der Vergangenheit seines Onkels gestoßen und Haie hatte ihm geholfen, die Wahrheit
ans Licht zu bringen. Dabei war es jedoch nicht nur zu mancherlei Unruhe im
Dorf gekommen, sondern auch zur Trennung zwischen ihm und Elke. Allerdings
hatte sich in dieser turbulenten Zeit eine Freundschaft zwischen Tom und ihm
entwickelt, die nichts und niemand so schnell erschüttern konnte.
Sie fuhren nach Niebüll. Im Restaurant ›Zur alten Schmiede‹
in der Hauptstraße gab es immer ein Mittagsmenü. Sie bestellten jeweils das
halbe Hähnchen mit Pommes und Salat.
»Ich mache mir wirklich Sorgen um Marlene. Ich habe ihr
angeboten, sie zu begleiten, aber sie wollte unbedingt allein nach Bredstedt
fahren.«
»Ach, watt.« Haie winkte ab. »Marlene ist doch eine
gestandene Frau. Die wird schon wissen, warum sie allein dahin ist. Ich denke
auch, dass das klüger war. Wenn du dabei wärst, würde der doch gar nichts
erzählen.«
Damit lag er wahrscheinlich richtig. Trotzdem war ihm unwohl
bei dem Gedanken, dass Marlene sich mit diesem Typen traf.
Das Hähnchen wurde serviert und Haie machte sich sogleich
daran, das Geflügel fachgerecht zu zerlegen. Tom stocherte mit seiner Gabel
lustlos im Salat herum.
»Weißt du, was ich glaube? Du kannst es wahrscheinlich nicht
ertragen, dass Marlene sich mit einem anderen Mann trifft!«
Er biss genussvoll in die Hähnchenkeule.
War es das? War er eifersüchtig? Befürchtete er, Marlene
könnte
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