Nordseefluch: Kriminalroman
Sanddornsträuchern gelauert?
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen!
Manfred Kuhnert konnte nicht der Mörder des Kutschers gewesen sein! Manfred war betrunken! Der Kutscher Batinga überragte nach den Ergebnissen der polizeilichen Untersuchungen Manfred um einen Kopf. Selbst einen Überraschungsangriff hätte der Kutscher abwehren können! Aber wer hatte am Tatort auf den Kutscher Batinga gewartet und was hatte er dort gesucht? Das waren neue Fragen, die sich mir stellten.
Ich holte mir eine weitere Flasche Bier, goss mein Glas voll, rauchte und kam mir selbst ulkig vor, da ich wie ein Detektiv dachte und es mich freute, mit den Gedanken wie Puzzlestückchen zu arbeiten. Ich glaubte der Aufklärung der Morde näherzukommen, während ich völlig entspannt erneut eine richtige Ecke für ein weiteres Puzzleteilchen fand.
Manfred hatte die kleine Marion ermordet. Er fand die leere Kutsche vor, transportierte die Leiche zum See-Shop, fuhr das Gefährt zurück und taumelte durch die Dünen zum Strandkorb.
Dort fand er Marions MP3-Player und die kleine Handtasche und nahm sie mit zu seiner Bude!
Ich fühlte ein nervöses Kribbeln. Aus Angst, in den Nachtstunden die Ergebnisse zu vergessen, schrieb ich meine Gedanken auf Konzeptpapier. Ich zeichnete die Insel Juist, deren Umrisse ich kannte, auf. In die Skizze trug ich das Strandschlösschen ein, markierte mit einem kleinen Kreuz den Tatort in die gedachten Dünen und schrieb Manfred dorthin, wo wir ihn im Ostdorf in seinem hässlichen Zimmer gefunden hatten. Den Standort des Strandkorbs von Marions Eltern kannte ich nicht. Er musste aber im vorderen Abschnitt des Strandes gestanden haben.
Mir war heiß, als ich einen Test durchführte. Alles kam hin. Als Manfred die Leiche mit der entwendeten Kutsche zum See-Shop fuhr, lagen die Straßen in der aufkommenden Dämmerung leer vor ihm. Das Fernsehen übertrug die Sportschau. Zu dieser Zeit nahmen die Gäste das Abendbrot ein und die Vermieter mussten sich um ihre Feriengäste kümmern.
Während Manfred den Weg durch die Dünen zum Strand genommen und dort den leeren Strandkorb aufgesucht hatte, waren die Suchmannschaften bereits zur Inselspitze unterwegs gewesen. Der Mörder passierte abgesuchtes Terrain. Genauso verhielt es sich während seines Heimwegs. Die Suchmannschaften liefen ihm voraus. Er konnte vom Alkohol beseelt schwankend und vor sich hinlallend unbemerkt mit Marions Sachen, die diese im Strandkorb vergessen haben musste, in sein Zimmer neben dem hässlichen Container und stinkenden Komposthaufen gelangen.
Ich schwitzte, obwohl während des Übergangs zur Nacht mein Arbeitszimmer mächtig abgekühlt war. Unsere Standuhr schlug zweimal. Bisher hatte ich sie überhört. Mir war bewusst, dass ich dem bis jetzt konstruierten Ablauf nicht mehr viel hinzufügen konnte, nur der Personenkreis war noch zu erweitern.
Leise schlich ich in das Kabuff, wie wir unsere kleine Vorratskammer nannten, entnahm dem Kasten noch eine Flasche Bier und setzte mich an den Schreibtisch. Vor dem Fenster tanzten Insekten im Licht, die wie ich den Frieden der Nacht mieden. Ich rauchte eine Zigarette. Erst als ich den beißenden Geschmack auf meinen Lippen schmeckte und den gräulichen Rauch ausblies, griff ich zum Bierglas.
In meiner Fantasie, die vielleicht durch das Grübeln und den übermäßigen Biergenuss überreizt war, fiel mir der kleine Köth mit seinem Pepitahütchen ein. Er hatte den ermordeten Kutscher gefunden. Konnte er ihn umgebracht haben? Es gab kein Motiv dafür.
Mir kam der Gedanke verrückt vor. Und als ich mir den kleinen Mann mit den zierlichen kleinen Schritten als Mörder des fast zwei Meter großen Kutschers vorstellte, musste ich lachen.
Obwohl es schon drei Uhr war, gab ich mein Detektivspiel noch nicht auf. Meine überreizten Nerven machten nicht halt vor meinem Kollegen Habbo Stinga. Er konnte nicht der Mörder seiner eigenen Tochter gewesen sein. Dennoch betrat er als Held meine kleine Bühnenschau. Er konnte seinen Körper wie eine Katze strecken und besaß die Elastizität eines Raubtiers, um im richtigen Moment seine Arme um den Hals des Opfers zu legen.
Aber warum sollte mein Kollege Habbo, der alternativ lebte, nur Schafe um sich duldete, seinen Unterricht exakt versah, einem Kutscher am Abend eines sonnigen Wochenendes in den Dünen mit seinen urwüchsigen Kräften das Leben ausgedrückt haben?
Ich war am Ende meines Lateins, kippte den Rest des Biers in mich hinein, löschte die
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