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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Bremsen und die Kutsche schwebte mit uns davon.«
    Manfred weinte und schluchzte. Dann sackte er in sich zusammen. Der Pfleger eilte zu ihm. Professor Loraner legte seinen Arm um meine Schultern. Ich presste die Lippen zusammen, denn ich war erschüttert.
    Die Kripobeamten schwiegen.
    »Drogen?«, fragte ich.
    »Medikamente, aber nicht nur. Er kommt gleich wieder zu sich«, flüsterte der Professor uns beruhigend zu. Er führte uns an das große Fenster und fragte: »Meine Herren, Sie sind Beamte. Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod und an eine Reinkarnation?«
    Der Kommissar sagte: »Irgendetwas in mir sagt mir, dass es da etwas gibt.«
    »Ja und nein«, antwortete Ekinger.
    »Schauen Sie sich diese Menschen an. Sie ringen mit ihrer Existenz und um ihre Identität. Sie sind Idioten im Sprachgebrauch der Gesunden. Dabei bin ich mir sicher, unterstützt durch die vielen Einblicke in das Seelenleben meiner Patienten in diesem Hause, dass es Körper geben muss, in denen zwei Seelen leben.«
    Hinter mir schluchzte Manfred, um den sich der Wärter kümmerte. Meint er auch ihn?, fragte ich mich.
    Professor Loraner fuhr fort: »Stellen Sie sich ein fahrendes Auto vor, in dem zwei Fahrer mit verschiedenen Reisezielen um das Steuer kämpfen. Dann verstehen Sie die Situation der Verzweifelten«, sagte er.
    Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ich sah, dass es ihm guttat, dass ich nickte. Sein Beruf nahm ihn sehr mit.
    Doch so schnell konnte ich seinen Vorstellungen nicht folgen. Manfred hatte uns in eine Märchen- und Fabelwelt entführt, die für die junge Marion eine qualvolle Hölle gewesen sein musste. Was mich allerdings zutiefst beeindruckt hatte, das waren die Gestalten, die das Gehirn des Trinkers und Mörders produziert hatte.
    Da war die Kutsche davongeschwebt und Manfred hatte benebelt die Zügel bedient. Aber hatte Manfred das Mädchen vorher umgebracht, als er es in seiner Wahnvorstellung zu einem Eis aus seiner Eismaschine eingeladen hatte?
    Pietsch bearbeitete wie so oft seinen Schnauzbart. Ekingers Gesicht war ernst. Der Betreuer suchte wieder seinen Platz am Türrahmen auf. War Manfred aufgetaucht aus seiner Märchenwelt?
    Professor Loraner fragte: »Manfred, die Kutsche schwebte also mit dir und dem Goldfasan davon. Wie verlief die Reise weiter?«
    Mein Schüler schaute verwirrt hoch.
    »Ich erinnere mich nicht mehr an die Fahrt mit der Kutsche. Vielleicht hatte ich begriffen, dass mein Goldfasan tot war, und wollte ihm die kleine Tasche und den MP3-Player holen, die er sonst immer bei sich trug und vielleicht im Strandkorb vergessen hatte. Was dazwischen geschah, weiß ich nicht mehr. Erst als die Polizeibeamten und mein Lehrer in meinem Zimer vor mir standen, begann ich wieder zu denken.«
    »Manfred, Marions Plüschhandtasche und den MP3-Player hast du mit in dein Zimmer genommen. Marion war nackt. Hast du ihre Kleidung irgendwo gesehen?«, fragte der Professor.
    Der Junge stierte in das Leere.
    »Nein, sie war nackt«, sagte er und versuchte mühsam, sich zu erinnern. »Da war nichts!«, stöhnte er.
    Wir blickten fasziniert auf den mutmaßlichen Mörder.
    »Manfred, hat Marion gelächelt, als du sie vom Boden aufhobst?«, fragte Professor Loraner.
    Manfred starrte weiter vor sich hin. »Professor, glauben Sie mir doch! Sie schlief! Nein, sie war tot«, sagte er und weinte.
    »Nun ist es genug«, sagte der Professor.
    Manfred hob plötzlich den Blick. Er schaute mich an. »Herr Färber! Sie glauben mir doch?«, rief er verzweifelt. Er bemühte sich um Haltung.
    Professor Loraner gab dem Wärter ein Zeichen.
    »Herr Kommissar, ich bin unschuldig!«, schrie Manfred. Seine Lippen zitterten.
    »Manfred, ich glaube, dass die Weichen für dich gut gestellt sind«, sagte ich und drückte seine nasse, kalte Hand.
    »Junger Mann, wir sind hierhergekommen, um die Wahrheit zu finden«, sagte der Kommissar.
    Der Wärter führte Manfred ab.
    Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, und es waren die Gestalten aus Manfreds Traumland, die mich immerzu beschäftigten. Hinzu kam die Verwirrung, die Professor Loraner in mir hervorgerufen hatte. Wohnten auch zwei Seelen in der Brust meines ehemaligen Schülers? Kämpfte Manfred mit einem Dämon um das Steuer? Rang der Mörder mit dem netten Jungen, der die Kleine, ohne sexuelle Wünsche, geliebt hatte?
    Pietsch und Ekinger nahmen das Tonband in Empfang, das der Professor dem Gerät entnahm.
    »Dank der Medikamente und der Hypnosetherapie wird sich Manfred auch

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