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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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vergessen konnte. In gewisser Weise steckte er ihr in den Knochen, wie eine Niederlage oder eine Hoffnung, die nie in Erfüllung gehen würde.
    Hielt sich die Mörderin noch auf der Insel auf, oder war sie bereits am Wochenende mit neuer Frisur und in einem Auto, nach dem sie nicht gesucht hatten, abgereist? Hatte sie die mit tausend Passagieren besetzte Fähre am Sonntagnachmittag genommen, deren Autodeck restlos ausverkauft gewesen war?
    »Hallo!«, rief Ninni. »Jetzt bist du schon wieder weg.«
    »Entschuldige.«
    Er rückte näher zu ihr heran.
    »Willst du es so wiedergutmachen?«, fragte sie.
    »Danke für die aufmunternden Worte.«
    »Tut mir leid.« Ninni hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Vielleicht hängt das alles ganz anders zusammen, als wir glauben.« Er strich ihr flüchtig übers Bein. »Nun ist schon eine Woche vergangen, und wir haben fast nichts in der Hand. Da stimmt was nicht. Ein solcher Mordfall löst sich mehr oder weniger von selbst. Deshalb frage ich mich allmählich, ob es vielleicht gar nicht so ein Mord ist, wie wir glauben.«
    »Stell dir vor, es wäre doch diese Stina Hansson aus der Zeitung gewesen«, sagte Ninni.
    Fredrik schüttelte den Kopf.
    Stina konnte es unmöglich sein. Sofern die Spuren im Sommerhaus sie nicht in die Irre geleitet hatten. Falls es ein gewöhnlicher kleiner Einbrecher gewesen war, der zufällig auf die Idee kam, sich die Haare zu färben und ein paar Klamotten zu verbrennen … Nein, das war zu unwahrscheinlich. Außerdem hätte Eva die Fingerabdrücke vom Fensterrahmen in der Kartei wiederfinden müssen, wenn es sich um einen ganz normalen Kleinkriminellen gehandelt hätte.
    »Sollen wir ins Bett gehen?«, fragte Ninni.
    Er sah sie an. Hatte er Erwartungen geweckt, als er ihr Bein berührte? Oder war sie einfach müde?

75
     
    Das Flugzeug war um halb neun gestartet. Henrik stellte sich vor, dass er sie vom Fenster aus hätte abheben sehen können, wenn er den Kopf hinausgestreckt hätte, aber vermutlich stimmte das gar nicht.
    Nun waren nur noch Ellen und er übrig. In der kleinen Hotelsuite bekam man plötzlich besser Luft. Die Erleichterung brachte jedoch auch Sehnsucht und Leere mit sich.
    Solange Maria da gewesen war, hatte so etwas wie eine undenkbare Möglichkeit im Raum gestanden. Eine Spannung, die einem zwar den Atem abschnürte, weil sie so schmutzig und verboten war, die ihn aber auch spüren ließ, dass ein erwachsener Mensch in seiner Nähe war, der ihm etwas bedeutete. Dass es zumindest ein entferntes Echo von Liebe gab.
    »Widerwärtig«, hatte Maria gesagt, als er ihr erzählte hatte, dass die Polizei von ihnen wusste. War es das? Er konnte sich nicht dazu aufraffen, darüber nachzudenken. Er wusste nur, dass niemand ihnen verzeihen würde.
    Er und Ellen waren jetzt allein. Das Atmen fiel ihm leichter, aber er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nicht so einsam gefühlt. Es war leicht und schwer zugleich. Im Grunde ging alles geradewegs durch ihn hindurch, und nichts spielte mehr eine Rolle. Doch hin und wieder tauchten in dem lichten, transparenten Dasein von irgendwoher bedrohliche dunkelgraue Strudel auf. Vielleicht war genau das die Einsamkeit. Das Leichteste und das Schwerste, was uns auferlegt wird. Oder die Trauer, die Scham und die Nebenwirkungen der Schlaftabletten trieben ihn allmählich in den Wahnsinn.
    Er sah Ellen an und versuchte sich zu sagen, dass er eine Tochter hatte, für die er alles tun musste. Für sie musste er leben. Er musste für Ellen da sein, das musste er einfach, auch wenn er sich in keiner Weise in der Lage dazu fühlte.
    Heute Morgen hatte er Malin und Axel zum ersten Mal so vor Augen gehabt, wie sie gewesen waren, als sie noch lebten. Vorher hatte er sie immer nur mit leblosen Körpern und blinden Augen gesehen, genau so, wie er sie vor einer Woche in Kalbjerga vorgefunden hatte. Nun war es ihm gelungen, daran vorbeizudenken und sich an Axels Köpfchen mit den strahlend weißen Zähnen zu erinnern, an seine leuchtenden Augen, wenn er ihn zur Decke hob und herumwirbelte, dass er vor Entzücken fast erstickte. Er sah Malin im Garten, im Auto, in der Küche, vor dem Fernseher, morgens im Bett, immer als Erste auf den Beinen, überall und immer da.
    Immer.
    Ellen kam zu ihm und trocknete schweigend seine Tränen. Sich die beiden lebend ins Gedächtnis zu rufen schmerzte beinahe noch mehr. So viel hatte er gehabt. Mehr, als er verdient hatte.
    Vorsichtig nahm er seine Tochter in den Arm.
    »Ellen«,

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