Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
antwortete nicht. Henrik blickte vom einen zum anderen.
»Ich möchte nicht darüber sprechen. Es ist über zwei Jahre her. Maria … Sie wissen doch, dass sie nichts damit zu tun haben kann. Das wissen Sie doch.«
»Jetzt wissen wir es«, sagte Sara.
Henrik lehnte sich seufzend zurück.
»Sie müssen uns helfen, Henrik. Haben Sie mit einer dieser Frauen oder einer anderen ein Verhältnis gehabt? Gibt es vielleicht eine Frau, die sich an Ihnen rächen wollte, weil sie abgewiesen wurde, oder die beispielsweise aus Eifersucht handelt …? Nur Sie können davon wissen.«
Sara durchbohrte ihn mit ihrem Blick. Er schüttelte den Kopf.
»Sind Sie sich da ganz sicher? Es ist wichtig. Vielleicht finden wir hier das Bindeglied, das uns fehlt, um den Fall zu lösen.«
»Nein, da gibt es keine andere Frau.«
Schließlich bedankten sie sich bei Henrik, dass er sich die Zeit genommen hatte, und sahen ihn in Richtung Fahrstuhl verschwinden. In irgendeinem Zimmer in diesem Hotel wartete seine Tochter gemeinsam mit Maria und dem Rest der Familie auf ihn.
Wie lebte man weiter, wenn einem das zustieß, was Henrik erleben musste? Fredrik war erstaunt, dass er überhaupt die Kraft hatte, aufzustehen oder Fragen zu beantworten. Wahrscheinlich half ihm, dass er seine Tochter hatte. Dass es eigentlich nicht anders ging. Aber dennoch. Ein Verhältnis mit Malins Schwester. Und nun war Malin tot.
»Ich werde nicht schlau aus dem Typen«, sagte Sara, als sie den Södervägen erreicht hatten. »Warum hat er nichts gesagt? Weil es ihm zu anstrengend war? Immerhin sind seine Frau und sein Sohn ermordet worden!«
»Genau«, sagte Fredrik.
»Er muss wirklich ein totales Arschloch sein.«
»So habe ich es nicht gemeint.«
Während sie den Kreisel passierten, warf Sara ihm einen fragenden Blick zu.
»Vor nicht mal einer Woche sind seine Frau und sein Sohn umgebracht worden«, sagte Fredrik. »Vermutlich kann er gar nicht klar denken. Er nimmt Schlaftabletten, kann aber nicht schlafen.«
»Aber er will doch, dass wir den Fall lösen. Ich an seiner Stelle …«
»Du würdest an seiner Stelle denken wie eine Polizistin, weil du Polizistin bist. Von ihm können wir das nicht verlangen.«
»Scheißegal«, sagte Sara. »Ich an seiner Stelle wäre sowieso nicht mit meiner Schwägerin ins Bett gegangen, der Vergleich ist also sinnlos.«
Darauf erwiderte Fredrik nichts. Den Rest der Strecke legten sie schweigend zurück.
»Wir müssen die Assistentin und diese Dänen trotzdem überprüfen«, sagte Sara, als sie in der Garage aus dem Auto stiegen.
74
Fredrik sah durchs Wohnzimmerfenster zu den Nachbarn hinüber und betrachtete die ständig eingeschaltete Straßenlaterne auf dem Hof und den bläulichen Schimmer, den der Fliegenfänger im Stall warf. Er fragte sich, warum sie die Laterne die ganze Nacht brennen ließen. Damit die Finsternis ringsherum nicht so kompakt war, wenn sie in ihren Betten lagen? Wollten sie auf diese Weise Einbrecher fernhalten? Mörder? Das Licht war bestimmt nicht an, damit sie morgens um drei zu den Tieren eilen konnten, ohne im Dunkeln nach dem Schalter tasten zu müssen. Überall auf dem Land sah er diese Lampen, die Höfe beleuchteten, auf denen niemand wach war.
»Wie geht es dir?« Ninni machte den Fernseher aus.
»Ach ja, ganz gut«, antwortete er.
»Du hast fast kein Wort gesagt, seitdem du zu Hause bist.«
Er sah sie verwundert an.
»Wirklich?«
Das konnte doch nicht sein. Er hatte Simon nach der Schule gefragt, er hatte …
»Wie läuft es eigentlich?«
»Bei unserm Fall?«
»Ja.«
»Im Moment treten wir auf der Stelle. Aber sag es nicht weiter.«
Ninni lächelte. »In der Schule werde ich oft danach gefragt.«
»Von den Kindern oder den Lehrern?«
»Von Schülern und Kollegen. Es ist ziemlich witzig. Die Kinder stellen ihre Fragen ganz direkt, aber im Lehrerzimmer sprechen sie das Thema eher beiläufig an und hoffen, dass ich anbeiße.«
»Was sagst du dann?«
»Dass ich auch nicht mehr weiß als sie.«
»Geben sie sich damit zufrieden?«
»Die meisten schon.«
Vielleicht hatte er an diesem Abend tatsächlich noch nicht viel geredet. Seine Gedanken wanderten ständig zurück zu Malin und Axel Andersson in dem Haus auf Fårö. Zu Stina Hansson, die sie gezwungenermaßen hatten laufen lassen. Die wahrscheinlich nicht in die Sache verwickelt war und trotzdem etwas damit zu tun hatte. Eine Frau, die vor vielen Jahren von Henrik Kjellander verlassen worden war und ihn nicht
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