Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
stehen, um so wenig Lärm wie möglich zu machen. Hintereinander schlichen sie durch eine Reifenspur.
Nachdem die Scheinwerfer ausgegangen waren, wirkte der Abend heller. Noch immer lag ein bläulicher Schimmer über der Landschaft.
»Da steht ein Auto«, wisperte Sara.
Fredrik konnte es auch sehen. Neben den beiden Fahrzeugen, die zum Haushalt gehörten, parkte ein Volvo.
An der Pforte blieben sie stehen. Über der Haustür und in einem Fenster zum Weg hinaus brannte Licht. Regungslos lauschten sie. Kein Laut und keine Bewegung. Kamen sie zu spät? Fredrik erinnerte sich an das Haus in der Mordnacht. Würde sie ein ähnlicher Anblick wieder erwarten? Leblose Körper. Blut.
»Ich habe etwas gehört.« Sara zischte Fredrik die Worte ins Ohr. »Hörst du das?«
Nachdem er sich eine Weile konzentriert hatte, nahm er eine Stimme wahr. Unten am Haus.
»Klingt nach Henrik«, wisperte Sara.
Kurz darauf hörte er noch eine Stimme. Diesmal von einer Frau.
Ohne ein weiteres Wort zogen sie ihre Waffen, machten sie schussbereit und hielten sie gesenkt. Sara signalisierte Fredrik, dass sie durch die Pforte gehen wollte.
Wieder hörte er die Stimme der Frau, konnte aber noch immer niemanden erkennen, während sie vorsichtig aufs Haus zugingen. Er zeigte auf die Fliedersträucher, und Sara nickte. Das letzte Stück bis zur Laube gingen sie in einem Abstand von etwa drei Metern nebeneinander.
Henrik saß ihnen am nächsten. Die Frau saß weiter hinten in der Laube, den Rücken dem dicht bewachsenen Spaliergitter zugewandt. Sie sah sie an. Ihre Haare waren kürzer und hatten eine andere Farbe als auf dem Passfoto, doch Fredrik erkannte den breiten Mund und die schönen, aber traurigen Augen wieder. Die helle Lampe über der Haustür warf ein grelles Licht auf sie.
»Henrik«, sagte Fredrik.
Nur daran, dass Henrik seine Sitzhaltung einen Hauch veränderte, konnte Fredrik feststellen, dass Henrik ihn gehört hatte.
Er warf Sara einen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass sie sich über die Vorgehensweise einig waren. Zur Bestätigung deutete Sara mit dem Kinn auf Katja.
»Henrik, ich bin es, Fredrik Broman. Ich bin mit Sara Oskarsson gekommen. Ist alles in Ordnung?«
Henrik antwortete nicht und blieb still sitzen. Fredrik kam sich wie ein Idiot vor, wenn er mit einem Nacken sprach. Die ganze Situation war völlig verrückt. Warum sagte Henrik nichts?
Sara ging näher heran und blieb ruckartig stehen.
»Er hat eine Waffe«, raunte sie Fredrik zu, »eine Schrotflinte.«
Fredrik machte ein paar Schritte nach rechts, dann sah er es auch. Henrik hielt die Waffe parallel zu seinem Oberschenkel und zielte damit auf Katja Nyberg.
Fredrik sah Sara an, und wieder waren sie sich innerhalb von Sekunden einig.
»Katja«, sagte Sara laut, »bitte zeigen Sie mir Ihre Hände.«
Als Katja ihren Namen hörte, zuckte sie zusammen und starrte Sara an. Sara hatte ihre Dienstwaffe auf sie gerichtet.
»Haben Sie mich verstanden? Ich will, dass Sie mir Ihre Hände so hinhalten, dass ich sie sehen kann.«
Katjas linke Hand lag in ihrem Schoß, die rechte war hinter der Stuhllehne verborgen.
»Katja. Tun Sie bitte, was ich sage.«
Sie blieb ruhig sitzen, als würden die Worte sie nicht erreichen.
»Katja!«
Langsam streckte sie die Hände aus.
»Gut«, sagte Sara. »Halten Sie die Arme hoch, und legen Sie die Hände in den Nacken.«
Fredrik beobachtete Henrik, der Katjas Bewegungen verfolgte. Seine linke Hand packte die Schrotflinte noch fester. Dann hielt er sie hoch.
»Warten Sie, Henrik«, bat Fredrik.
Langsam ging er auf Henrik zu.
»Wir werden dieser Sache jetzt ein Ende machen. Katja nehmen wir mit nach Visby, und dann sorgen wir dafür, dass sie wegen Mordes angeklagt wird.«
Fredrik hatte plötzlich das Gefühl, dass Katja ihn anstarrte, aber er konzentrierte sich voll auf Henrik. Lieber hätte er zuerst Katja abgeführt, aber die Laube war eine Sackgasse. Sara konnte ihr nicht befehlen, langsam rückwärtszugehen. Es gab nur den Weg an Henrik vorbei.
Henrik gab noch immer keinen Ton von sich, aber seine rechte Hand bewegte sich. Sein Finger kam dem Abzug gefährlich nahe.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Henrik? Wir nehmen Katja mit. Aber vorher müssen Sie das Gewehr weglegen.«
Die Sekunden vergingen. Henrik schwieg, aber Fredrik sah ihm an, dass er zuhörte. Die Worte hatten eine Wirkung auf ihn. Es fragte sich nur, welche.
»Wir haben alles unter Kontrolle. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu
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