Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
gehörte zu dem Hubschrauberteam. Die Leute waren gleichzeitig mit Fredrik und Gustav und den anderen Kollegen von der Kripo eingetroffen und oben bei den Briefkästen auf der Straße gelandet. Seit der Wachhabende den Notruf um zwei Minuten nach acht entgegengenommen hatte, war der gesamte Fährverkehr ausschließlich der Polizei vorbehalten gewesen. Die erste Fähre hatte einen Rettungs- und zwei Streifenwagen befördert. Die Sanitäter hatten, genau wie die Krankenschwester aus Skär, die vorausgeschickt worden war, einsehen müssen, dass sie zu spät kamen. Sie hatten beschlossen, die Leichen nicht anzurühren.
»Der Täter muss sich noch auf Gotland befinden«, sagte Göran. »Er kann weder eine Fähre noch ein Flugzeug genommen haben.«
Er drehte sich zum Einsatzleiter um, der gemeinsam mit Leif Knutsson zehn Meter entfernt stand.
»Wir müssen alle überprüfen, die morgen früh die Insel verlassen«, sagte er und erntete ein zustimmendes Nicken.
Göran wandte sich wieder der Ärztin zu. »Es wäre gut, wenn sie sich den Vater der Kinder ansehen könnten. Es scheint ihm nicht besonders gut zu gehen.«
»Natürlich, ich wusste gar nicht, dass er hier ist.«
»Ich komme mit«, sagte Göran.
Fredrik und Gustav ließen die Ärztin vorbei.
»Ihr wartet hier«, befahl Eva Karlén überflüssigerweise, als die beiden wieder einen Schritt nach vorn machten.
Sie war sicher verärgert, weil so viele Leute hier herumrannten. Fredrik konnte sie verstehen, aber Rettung und Sicherheit hatten nun einmal Vorrang. Abgesehen von zwei Ordnungspolizisten, die den Rest des Hauses sicherten, waren zwei Sanitäter, eine Krankenschwester und die Ärztin in der Diele gewesen. Zusammen mit Eva Karlén selbst waren das insgesamt sieben Personen.
»Was denkst du über die Tatwaffe?«, fragte Gustav.
»Irgendein Werkzeug. Ich würde auf einen normalen Hammer tippen.«
Eva hatte eine Kamera ausgepackt und begonnen, Bilder von den Leichen und dem Tatort zu machen. Stück für Stück fotografierte sie Fußboden und Wände, sodass sie den Raum anhand der Fotos lückenlos rekonstruieren konnte.
»Beide haben zehn bis zwanzig Schläge abbekommen. Wegen dem vielen Blut kann man Einzelheiten nur schwer erkennen.«
Stumm sahen sich Fredrik und Gustav an. Fredrik wusste genau, was Gustav durch den Kopf ging. Zehn bis zwanzig Schläge. Ein kleiner Junge von fünf Jahren. Wer tat so etwas Grauenhaftes?
Fredrik betrachtete erneut die Leichen. Tote. Opfer. So war es leichter, über sie nachzudenken. Doch diesmal bedeuteten sie mehr für ihn. Er hatte schon einmal vor einem Mordopfer gestanden, das er kannte. In allen anderen Fällen hatte er erst mit den Leichen Bekanntschaft gemacht. Unbeschriebene Blätter, die erst im Laufe der Ermittlungen zu Namen und Persönlichkeiten wurden.
Es war schwerer, sich zu schützen, wenn man die Opfer vorher bereits gekannt hatte. Wenn er mit ihnen geredet, ihre besorgten Fragen gehört und sie lächeln oder lachen gesehen hatte.
Axel Andersson Kjellander lag in der Küche. Sein Kopf zeigte zum Herd, seinen Beine in Richtung Diele. Rings um ihn war alles voll Blut. Er selbst war blutüberströmt. Der Kopf, die Arme, das hellgrüne T-Shirt und die schwarze kurze Fußballhose. Seine Augen waren offen, aber sein Blick war tot.
Wo kam diese Wut her, woher dieser glühende Hass, der alle Grenzen überschritt? Konnte die Tat überhaupt mit Worten wie Hass und Wut erfasst werden, die ja doch zur Beschreibung einer normalen, wenn auch extrem unter Druck stehenden Psyche dienten? Fredrik versuchte es sich auszumalen, oder besser gesagt, sich hineinzuversetzen. Er konnte verstehen, dass man einem Erwachsenen einen oder vielleicht sogar zwei Schläge versetzte. Aber dann?
Der Geruch von Blut lag schwer in der Luft. Ein paar Fliegen surrten herum, ließen sich auf den Leichen nieder und gingen in hastig unterbrochenen Etappen spazieren.
»Ich habe ziemlich deutlich vor Augen, was passiert ist.« Eva kämpfte sich mit ihrer Kamera bis in die Ecken des Raumes vor. »Es klingelt. Die Frau geht die Tür öffnen.«
Malin, dachte Fredrik, Malin Andersson geht die Tür öffnen.
»In Anbetracht der Umstände muss es jemand gewesen sein, den sie kannte oder zumindest für ungefährlich hielt.«
Hält man nicht die meisten Menschen für ungefährlich?, fragte sich Fredrik. Jedenfalls erwartet man nicht, dass sie einen Hammer aus der Tasche ziehen und einem damit zwanzig Mal auf den Kopf schlagen.
»Die Person vor
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