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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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Augenblick, als die Deckenlampe die Dunkelheit erhellte, stürzte sich der Anblick auf ihn wie ein wildes Tier.
    Das Blut war überall. Es war, als hätte jemand seine Augäpfel damit bemalt. Als wäre ihm ein breiter Pinsel mit Blut übers Gesicht gefahren. Es kroch in seine Nase und in seinen Mund. Der Geruch und der Geschmack. Alles war rot. Er konnte es sogar hören.

42
     
    Auf Beinen, die ihm nicht gehorchen wollten, wankte Henrik zu Malin und fiel neben ihr auf die Knie. Ob mit Absicht oder weil seine Beine unter ihm nachgaben, wusste er nicht.
    Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Zitternd hielt er die Hände über den blutigen Kopf und das Gesicht, das er kaum wiedererkannte. Sie bewegte sich nicht. Der Körper in Malins Kleidern lag vollkommen regungslos auf dem Fußboden. Henrik zwang seine Hand, ihren Hals zu berühren und den Puls zu fühlen. Wie machte man das? Eine Herz-Lungen-Massage. Wie ging das? Er sah nach rechts. Axel. In der Küche. Auf dem Boden vor dem Herd. Sein Kopf sah so anders aus. So eingedrückt, schief, blutig.
    Die Lähmung breitete sich von den Beinen im ganzen Körper aus. Übelkeit wanderte vom Magen in die Brust, und er rang nach Luft. Langsam robbte er zu Axel hin, während er gleichzeitig versuchte, das Handy aus der Tasche zu ziehen. Er fiel auf die Seite und stieß sich am Ellbogen. Er schob sich auf dem Rücken weiter. Kämpfte sich voran. Das Blut. Es lastete wie eine bleierne Decke auf ihm. Roch nach Eisen und Tier. Axel. Sein winzig kleiner Kopf. Er musste ihm helfen. Ihn retten. Er musste diesen abwesenden Blick zum Leben erwecken.
    Der Daumen glitt über die Oberfläche des Mobiltelefons und verschmierte alles. Seine Hand war voller Blut. Woher kam das? Es war überall. Zitternd schaffte er es, die drei Ziffern zu wählen.
    »Sie sind tot«, war das Erste, was er sagte, als sich jemand meldete. »Oder … ich weiß auch nicht … es ist überall Blut. Irgendjemand hat …«
    Der Mann am anderen Ende wollte einen Namen und eine Adresse wissen.
    »Meine Frau und mein Sohn«, hörte er sich selbst sagen und wunderte sich, dass er überhaupt sprechen konnte.
    Das Blut klebte zwischen seinen Fingern.
    Die lästige Stimme fragte erneut nach einer Adresse. Wie lautete die noch mal? Welche Nummer stand auf dem Briefkastendeckel, den er immer hochklappte? Er sagte seinen Namen und Kalbjerga und Fårö. Reichte das nicht? Doch, das reichte aus. Aber die Stimme wollte noch mehr wissen. Was war passiert? Wie viele Verletzte? Welche Art von Verletzungen? Wer waren die Personen?
    »Sie müssen einen Krankenwagen schicken … einen Hubschrauber. Sie sterben …«
    Er stammelte die Worte zwischen Tränen und unregelmäßigen Atemzügen.
    »Versuchen Sie, sich zu beruhigen«, sagte die Stimme. »Ich habe bereits einen Rettungswagen losgeschickt, aber je mehr wir wissen, desto besser können wir Ihnen helfen.«
    »Okay, okay«, flüsterte er dem blutverschmierten Mobiltelefon zu und versuchte, ruhiger zu atmen.
    »Beginnen wir mit den betroffenen Personen.«
    »Meine Frau, Malin Andersson, und mein Sohn Axel.«
    Er musste innehalten und keuchend nach Luft schnappen, als hätte er einen Hundertmeterlauf hinter sich gebracht.
    »Sie müssen sich beeilen«, ächzte er dann. »Gibt es nicht einen Hubschrauber?«
    »Wie alt ist der Junge?«, fragte die Stimme.
    »Fünf.«
    »Welche Verletzung hat er?«
    »Ich weiß nicht … Der Kopf. Er ist … auf den Kopf geschlagen worden … es …«
    »Und Ihre Frau? Wie hat sie für eine Verletzung?«
    »Bei ihr ist es genauso, der Kopf …«
    »Sie bekommen so schnell wie möglich Hilfe, aber es wird eine Weile dauern. Daher ist es wichtig, dass Sie alles tun, was in Ihrer Macht steht, um den beiden zu helfen. Können Sie erkennen, ob sie noch atmen?«
    Als Henrik darauf etwas erwidern wollte, überschlug sich seine Stimme in einem röchelnden Weinkrampf. Woran sah man, ob jemand noch atmet?
    »Henrik«, sagte jemand am anderen Ende der Leitung.
    Als er seinen Namen hörte, zuckte er zusammen. Er konnte sich nicht erinnern, gesagt zu haben, wie er hieß.
    »Sind Sie noch da, Henrik?«
    »Ja«, antwortete er.
    »Ich werde Sie jetzt mit einer Krankenschwester verbinden. Sie wird Ihnen helfen und Ihnen Anweisungen geben. Verstehen Sie mich?«
    »Ja«, schnaufte er, »ich verstehe.«
    Aber er verstand kein Wort. Rastlos blickte er von Malin zu Axel. Er musste die beiden retten. Er würde sie jetzt retten.
    Ellen. Warum war Ellen nicht da? Warum

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