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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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durch den Kopf?
    Ihre Fragen mussten besser beantwortet werden, aber wie? Wie sollte er Ellen das erzählen, was er selbst kaum zu denken wagte?
    Die Leichen in der Diele. Axels kleine Kinderleiche. Wie eine Puppe. Wie eine weggeworfene, mit Blut verschmierte Puppe. Henrik war so lange allein mit ihnen gewesen. So allein mit den Toten. Er schloss die Augen und klammerte sich mit der rechten Hand am Polster fest. Als Ellen ein Wimmern von sich gab, merkte er, dass er sich mit der linken Hand genauso fest in ihre Schulter gekrallt hatte. Er strich ihr über den Arm und murmelte eine Entschuldigung.
    Henrik hatte gegen den Tod gekämpft. Zuerst allein, dann hatte er seine Hoffnung in eine Fåröer Krankenschwester gesetzt, die ihm nur mit ihrem guten Willen beistehen konnte. Als sie aufgegeben hatte, erweckte das Eintreffen des Hubschraubers seine Hoffnung wieder zum Leben. Jetzt wird alles gut, dachte er. Nun kamen die Leute, die alles wieder hinbekamen. Rettungsärzte, Unfallchirurgen und dann ein Transport zu den besten Spezialisten im Land. Nun war endlich Schluss mit seinem hilflosen Hantieren an den blutigen Körpern. Schluss mit der örtlichen Krankenschwester und diesen Sanitätern. Hier kamen die echten Profis, die Retter vom Himmel, mit Adrenalinspritzen und Infusionen und …
    Dann verließ ihn die Hoffnung. Noch bevor die Kufen des Helikopters den Boden berührt hatten. Es war nur ein Reflex gewesen, ohne den geringsten Anhaltspunkt in der Wirklichkeit.
    Wie er schließlich das Haus verlassen hatte, wusste er nicht mehr. Plötzlich stand er bei Ellen und Maria im Garten. Dort waren noch mehr Leute. Polizisten. Ein Rettungswagen. Zwei Polizeibeamte zogen ihn unsanft zur Seite, forderten ihn auf, sich auszuweisen, und stellten ihm Fragen. Er war ein verwirrter Mann, der sich über und über mit Blut beschmiert am Schauplatz eines Verbrechens aufhielt. Einige Sekunden lang galt er als mordverdächtig.
    Seine Rufe nach Ellen hallten in seinem Gedächtnis wider. Sie war die Einzige, die er jetzt noch hatte. War das wirklich wahr?
    Der Polizeibus fuhr langsam an das Ende der Fähre. Direkt hinter ihnen kam der Rettungswagen mit den Sanitätern, die nichts mehr hatten ausrichten können. Sie mussten natürlich zurück nach Visby und konnten nicht in Kalbjerga bleiben und auf gar nichts warten. Mussten für andere da sein. Für die, die noch gerettet werden konnten.
    Als die Fähre in Broa ablegte und ihre Fahrt über den dunklen Sund antrat, schwankten sie alle ein wenig.

47
     
    Sara Oskarsson hatte fast zwanzig Minuten im Empfang des Hafenhotels gesessen und gewartet. Allmählich war sie es leid gewesen, abwechselnd die Decke über ihrem Kopf und das Linoleum unter ihren Füßen anzustarren. Sie hatte sich gefragt, ob sie ihre Zeit nicht besser hätte nutzen können. Und dann war Henrik Kjellander endlich eingetroffen, mit seiner Tochter, seiner Schwägerin und dem Kollegen, der die drei beschützen sollte.
    Sara stand auf, nickte dem Kollegen zu und gab Henrik Kjellander die Hand.
    »Hallo.«
    »Hallo«, erwiderte Henrik dumpf.
    Sara reichte Maria Andersson die Hand.
    »Ich heiße Sara Oskarsson und bin Kommissarin bei der Kripo Visby.«
    Maria drückte ihr kurz die Hand. »Maria Andersson.«
    »Es tut mir wirklich leid«, fuhr Sara fort. »Ich kann mir vorstellen, dass es schwer für Sie sein muss, aber ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung?«
    »Ja.« Maria warf einen Seitenblick auf Ellen. »Doch, das geht.«
    »Wollen Sie so lange aufs Zimmer gehen?«, fragte der Kollege Henrik.
    Henrik sah Maria fragend an. Müde hob sie den Blick.
    »Geht ruhig.«
    »Du musst sie dann aufs Zimmer begleiten«, sagte der Kollege zu Sara.
    »Klar.«
    Saras Kollege bekam von der Empfangsdame zwei Schlüsselkarten überreicht. Gefolgt von Henrik und Ellen, ging er los. In welches Zimmer sie wollten, hatte er nicht gesagt.
    »Sollen wir uns da drüben hinsetzen?«, schlug Sara vor. Sie zeigte auf vier blau bezogene Stahlrohrstühle, die etwas abseits in einer Ecke des Empfangsbereichs standen.
    Maria trottete wortlos dorthin und ließ sich auf den erstbesten Sessel fallen. Sara setzte sich ihr gegenüber.
    »Bitte erzählen Sie mir, was zwischen dem Moment, in dem Sie das Haus Ihrer Schwester verlassen haben, und Ihrer Rückkehr passiert ist.«
    Maria senkte einen Augenblick den Kopf. Dann blickte sie wieder auf. »Ich habe Ellen gefragt, ob sie Lust hat, nach dem Essen baden zu gehen, und das wollte

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