Nore Brand 03 - Racheläuten
Tischrand und schob ihre Brille zurecht.
Sie verglich die beiden Skizzen in allen Einzelheiten, die Linien, die Zeichen, die Buchstaben und die Zahlen. Sie ging um den Tisch herum und tat dasselbe aus einer neuen Perspektive.
Nino Zoppa war einen Schritt zurückgetreten.
Sie hob den Kopf. »Vielleicht sehe ich, was du meinst. Im Puzzle kann man die Zeichen nicht entziffern, in der Broschüre schon.«
Er setzte sich hin, um nochmals zu vergleichen.
Dann pfiff er leise durch die Zähne.
»Verdammt, du hast recht. Ich habe nur die Linien und die Winkel angeschaut. Die sind nicht gleich gezogen, nicht mit dem gleichen Druck.«
Er schob den Stuhl zurück.
»Ich vermute, dass das Original hier auf den Papierchen zu sehen ist. Das Bild in der Broschüre stammt von einer anderen Hand. Mir ist eben noch etwas eingefallen. Diese Männer arbeiten doch als Team. Diese Zytglogge-Miniatur ist das Resultat einer hervorragenden Teamarbeit, steht da irgendwo. Nicht nur einmal, das scheint ihr Mantra zu sein. Deshalb heißt die Firma so: TeamTowerClock. Team ist wichtig, es ist die Arbeitsform, das andere ist der klingende Name des Unternehmens, TowerClock.«
Er nagte an seiner Unterlippe. »Wir mussten in der Schule andauernd Gruppenarbeiten machen. Andauernd. Das Schlimmste daran war, dass meistens nur einer sich richtig ins Zeug gelegt hat. Einer hatte Ideen. Das ist logisch. Es gibt ja nicht so viele geniale Typen auf der Welt, oder? Also normalerweise hat sich einer in der Gruppe das Bein ausgerissen, weil ihn das Zeug interessierte. Aber am Schluss haben alle davon profitiert. Nicht etwa, weil sie ihre Gehirnmasse auch in Schwung gebracht hätten, das sicher nicht. Trotzdem waren sie überzeugt davon, dass sie irgendetwas mit dem Resultat zu tun hatten.« Nino Zoppa lächelte. »Also ich hatte immer diesen Eindruck, auch wenn ich mal nicht viel dazu beigetragen habe. Alle wollten profitieren.« Nino Zoppa zuckte verlegen mit den Schultern. »Und am Schluss beharrten immer alle darauf, dass jeder die gute Note verdient hatte.«
Er schaute sich die Porträts der Männer an. »Glaubst du, dass die besser sind, als wir das waren?«
Nore Brand blätterte die Broschüre durch. »Kaum. Aber es wird schwer zu beweisen sein, dass diese Idee auf nur einen dieser Männer zurückgeführt werden kann. Aber warum soll das wichtig sein?«
Nino Zoppa wiegte den Kopf.
»Weil es um viel Geld geht.«
Nore Brand nickte. »Ja, das kann man wohl sagen.«
Er erhob sich vom Stuhl und schob die Papiere zusammen. »Wohin kommt das jetzt? Zu den Akten?«
»Nein«, sagte sie rasch, »nein! Wir lassen die alte Akte. Die neuen Hinweise behalten wir vorläufig für uns. Wir fangen ganz von vorn an. Wir tun jetzt so, als ob wir einen neuen Fall hätten. Ich glaube, das ist besser für unsere Arbeit.«
Nino Zoppa schaute verdutzt. »Von vorn?«
Nore Brand erhob sich. »Nicht ganz. Immerhin hat Mister Police Academy eine Diskussionsbasis geliefert.«
»Diskussionsbasis nennst du das. So gemein!« Nino strahlte über das ganze Gesicht. »Also gut, eine Diskussionsbasis. Leider noch nicht sehr ausgereift. Aber er ist jung. Geben wir ihm die Zeit, die er braucht.« Er zwinkerte ihr zu.
»Ich habe ihn bei der Pressekonferenz gesehen. Das hat er eigentlich genial gemacht.«
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Was war so gut dabei?«
Nino verwarf die Hände und riss die Augen weit auf. »Die haben ihm geglaubt, und zwar alle! Das hättest du sehen sollen. Sogar der Chef war hin und weg von ihm.«
»Stimmt.«
»Der Kerl kann reden!«
»Dann soll er doch in die Politik. Mit Reden hat noch keiner einen Fall gelöst.«
Nino Zoppa schaute sie nachdenklich an. »Und was geschieht, wenn der merkt, dass wir seine Ermittlungsarbeit infrage stellen?«
»Das ist nicht unser Problem. Wir haben einen Auftrag. Und wenn er etwas wissen will, schicken wir ihn zu Bärfuss. Bastian scheint ein sehr großes Interesse an diesem Fall zu haben.«
Nino schaute auf die Uhr.
Nore Brand schüttelte den Kopf. »Zu früh für eine Pause. Du könntest versuchen, etwas über Henriette Fink herauszufinden.«
»Henriette Fink?«
»Die Mutter von Wilma. Ich traue ihr nicht ganz. Nachdem ich mit ihr gesprochen hatte, rief sie in der Schule an, um zu erklären, dass ihre Tochter bei der Großmutter ist.«
»Bei der Großmutter? Das kenne ich! Eine Ausrede für die Ewigkeit, oder?«
»Ja, aber es könnte auch wahr sein.«
Sie zog ihre Jacke an. »Ich bringe die
Weitere Kostenlose Bücher