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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Schwung verloren.
    Er hatte schon die beiden ersten Stufen genommen, als er sich plötzlich umdrehte. »Warten Sie, Frau Brand«, rief er, »vielleicht muss ich Ihnen doch noch etwas erzählen, obwohl ich es für mich behalten wollte.« Er ging zögernd auf sie zu. »Meine letzte Begegnung mit Federico war sehr schön.« Er schaute zum Tor. »Wir haben zusammen Rotwein getrunken. Er hat gestaunt, dass mein Walliser so gut war wie sein liebster Südafrikaner. Wir haben gelacht zusammen und …«, Oskar Schmied brach kurz ab, »wir redeten so von Mann zu Mann. Über alles. Ich habe ihm von meinem Leben erzählt. Der Wein hat etwas geholfen dabei, ich rede sonst nicht über mich. Aber es war notwendig. Das habe ich gemerkt. Ihm hat ein Vater gefehlt. Er hatte einen, aber der war nicht da für ihn. So war das. Federico hat mir zugehört und war an allem interessiert, was ich erzählte. Es war richtig schön. Ich kann es nicht anders sagen.« Oskar Schmied lächelte.
    »Als er ging, stand ich genau hier und schaute ihm nach. Ich hatte plötzlich den Eindruck, dass das Gespräch ihn verändert hatte. Er wirkte so heiter und unbeschwert, als er ging. Ich hörte ihn pfeifen. Mir war, als ob er zum ersten Mal in seinem Leben auf ein Ziel zuging. Merkwürdig war das. Ich weiß nicht, wie ich das besser beschreiben kann. Nach unserem Gespräch war Federico einfach ganz anders, mich freute, dass er so munter wirkte. Vielleicht war ihm eben bewusst geworden, was die Zukunft ihm zu bieten hatte. Und das hatte sie doch, oder?«
    Oskar Schmied schaute suchend zum Tor, als ob dort sein Enkel plötzlich wieder auftauchen könnte.
    Er nickte ihr kurz zu, drehte sich um und ging. Oskar Schmied schaute nicht mehr zurück.

    Eine Stunde später befand sich Nore Brand wieder auf dem Weg zurück in die Stadt.
    Ihr Vater hatte auf sie gewartet. »Zum Glück hast du vorher noch angerufen! Ich wollte noch rasch …« Es war fast wie immer gewesen.

    An der Tramhaltestelle drang plötzlich eine bekannte Stimme an ihr Ohr.
    »Frau Brand! Was für eine Überraschung! Fast hätte ich Sie nicht erkannt!«
    Im gleichen Augenblick stand Elsi Klopfenstein, die Kioskfrau vom Lenkersee vor ihr. Sie hatte ihr in zwei früheren Fällen im Berner Oberland als unbestechliche Zeugin geholfen. Doch was tat sie hier?
    »Jetzt hab ich’s: Sie tragen eine Brille!«
    Der Bus hielt an, sie stiegen ein, und Elsi erzählte von ihrer Nichte, die im Lindenpark ihr Praktikum mache. Später komme sie sicher wieder ins Tal hinauf. Sie sei einfach nicht für die große Stadt gemacht, was wohl in der Familie liegen müsse.
    An der nächsten Haltestelle eroberte eine Schulklasse den Bus. Jungen und Mädchen schlugen einander mit leeren Petflaschen auf die Köpfe, bis einer entdeckte, dass eine flachgedrückte Flasche bestens als Schlagstock oder als Schwert einzusetzen war. Die andern ließen sich nicht lang bitten.
    Elsi Klopfenstein konnte das die Laune nicht verderben, und sie ging in Deckung, sobald sie ihren Kopf in Gefahr wähnte. Sie erzählte ohne Unterlass, doch Nore Brand war in Gedanken abwechselnd bei Oskar Schmied und bei ihrem Vater.
    Sie dachte an den kleinen Moment der Verlegenheit, als sie in einer Ecke das Bild ihrer Mutter entdeckte. Der Rahmen war aus altem Holz angefertigt. Sie standen ein Weilchen nebeneinander vor dem Bild. Ihr Vater stieß sie kurz an. »Das Holz, erkennst du das? Das stammt von den Fensterrahmen unserer ersten Wohnung. Ich hatte einen Vorrat auf dem Dachboden, und auf einmal weiß man, wozu das dienen kann.«
    Er hatte das Bild der Mutter zugeschnitten und eingefügt. Nein, Glas hatte er nicht gebraucht. Er hatte das immer so gehalten. Glas sei zu kalt für Fotografien. Es rücke die Menschen weg vom Betrachter. Ihr Vater hatte seine Frau, ihre Mutter, wieder in sein Leben eingefügt, lang nach ihrem Tod.
    Die Stimme von Elsi Klopfenstein drang unvermittelt wieder an ihre Ohren. »… und diese Frau«, lachte sie laut und herzlich, »hat gut gelebt damit, kein Wunder, wenn sie auf einmal so viel Geld zur Verfügung hatte, und keiner hat sie angezeigt. Also, die muss Nerven gehabt haben. Eigentlich ist das kriminell, oder?«
    Kriminell? Was war kriminell?
    Nore Brand spürte Elsi Klopfensteins fragenden Blick. Ein Stichwort für die Kommissarin. Sie beeilte sich, Elsis Vermutung zu bestätigen, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, worum es in dieser Geschichte denn gegangen war. In ihrer Verlegenheit erkundigte sie sich

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