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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Blick zu. »Ich bin nicht verrückt. Ich weiß, die hat immer geläutet. Mein Leben lang! Aber ich wusste das nicht! Ich war bis jetzt taub für dieses Läuten!« Er schlug sich gegen den Kopf. »Was dieses Gehirn alles wegfiltert! Und wir haben nicht die geringste Ahnung davon!« Er schaute sie fassungslos an. »Und dann kam der zweite Schreck: Da stehe ich wie ein Ölgötze, weil diese Glocke ohne jede Ankündigung mitten in mein Leben hineinläutet, und auf der Stelle packt mich das grauenhafte Gefühl, dass ich praktisch im Mittelalter lebe! Alle diese Häuser mit den grauen, dicken Steinmauern! Hinter mir die finsteren Lauben! Das reine Mittelalter! Ich fühlte mich wie im falschen Film.«
    Er schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Nore, da verbringe ich doch mein ganzes Leben in einer uralten Stadt und ich Vollidiot habe das erst heute Morgen gemerkt.«
    Sie betrachtete ihn über den Brillenrand. »Ist auch kein Wunder. Du hast deine Nase doch immer am Handy. Wie solltest du auch etwas von dieser Welt merken.«
    »Meinst du?« Er schien ein bisschen irritiert. »Aber warte, ich bin noch nicht fertig. Stell dir vor, ich habe wie alle Touristen vor dem Zytglogge-Turm einen Stopp gerissen und mit ihnen gegafft, bis der Spuk vorüber war.«
    »Und?«, fragte sie.
    Er begann zu lächeln. »Geniale Sache, absolut unbegreiflich nach diesem ganzen Schrecken. Sonne, Mond und Sterne, das Universum und …, das gibt einem so ein Gefühl von Ewigkeit«, er brach ab und schüttelte den Kopf. »Wie ist das möglich, dass ich das alles nicht wusste? Und es war doch immer in meiner Nähe. So etwas Geniales.«
    Nore Brand lehnte sich im Stuhl zurück und schaute an die Decke.
    »Ich kenne das. Plötzlich springt es einem ins Gesicht, man weiß, dass es immer da war. Wo hast du diesen Kaffee her?«, fragte sie übergangslos.
    »Mein Geheimnis«, sagte er schlau. »Mein teures Geheimnis.«
    »Also weiter, ich höre zu.«
    Nino tippte auf sein Handy. »Ich weiß jetzt auch, wozu die Glocken läuteten. Sie alarmierten die Stadtbewohner, wenn irgendwo Feuer ausgebrochen war oder wenn ein Sturm aufkam oder wenn der Feind unterwegs war auf Rachefeldzügen.« Er schaute sie an. »Die Franzosen zum Beispiel«, setzte er feindselig hinzu.
    Nore Brand biss sich auf die Lippen.
    »Hast du schon vom Feuerläuten und vom Sturmläuten gehört? Und«, sein Ton wurde inquisitorisch, »wann hast du den Turm zum ersten Mal gesehen? Ich meine, richtig angeschaut, also mindestens drei Sekunden?«
    Sie richtete sich hoch auf und dehnte ihren Rücken. »Jetzt eben. Vor zehn Minuten. Ich habe ein Filmchen gefunden auf Youtube. Das dauert aber länger als drei Sekunden.«
    »Youtube? Du?« Er machte ein ungläubiges Gesicht. »Dann hast du dich eben in unser Zeitalter katapultiert.«
    »Nein«, erwiderte sie, »ich hole mir nur ab und zu etwas Nützliches, um mein ganz persönliches Zeitalter zu ergänzen.«
    Er nickte. »Trotzdem, Kommissarin Brand schaut Youtube-Filmchen, und das während der Arbeitszeit. Ist das erlaubt?«
    »Sicher. Ich nenne das Weiterbildung in verträglicher Dosierung.«
    »Alles nur eine Frage der Definition also. Interessant. Ich muss das speichern im Ordner der Lebensweisheiten. Und? Weißt du jetzt mehr?«
    »Ja, es sollte uns zu denken geben, dass ein Nürnberger das Uhrwerk gebaut hat.«
    Nino Zoppa schaute verblüfft.
    »Vielleicht sagt uns das«, fuhr sie fort, »dass man auch hier für das Gute, das von außen kam, einen schönen Platz fand.«
    »Spielverderberin.« Nino Zoppa war enttäuscht.
    »Vielleicht waren seine Vorfahren ausgewanderte Schweizer. Das könnte man sicher überprüfen. Es ist trotzdem ein sehr schöner Turm, oder?«
    Nino Zoppa erwiderte nichts. Er saß grübelnd da. Auf einmal seufzte er auf. »Warum haben wir es in dieser Sache gerade mit zwei Wahrzeichen der Stadt zu tun? Bärengraben und Zytglogge.«
    Nore Brand zuckte mit den Schultern. »Ein Zeichen für das Stilbewusstsein der Firma TTC.«
    Nino Zoppa schaute skeptisch. »Dass man mit dem Zytglogge-Turm Geld macht, das ist logisch. Würde ich auch, wenn ich diese Idee gehabt hätte. Aber dass der Bärengraben Schauplatz eines Mordes wird …«
    Sie stützte das Kinn in die Hand. »Der Mörder hielt diesen Ort für geeignet, und wir müssen herausfinden, aus welchem Grund das so war.«
    Sie griff nach dem Kaffeebecher. »So, jetzt bin ich gespannt.«
    Sie entfernte den Deckel vorsichtig und probierte mit geschlossenen Augen.
    Nino

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