Northanger Abbey
Aufmerksamkeiten von ihm – ich schwöre zu Gott, daß ich davon nie etwas gemerkt habe – außer daß er mich an seinem ersten Tag hier zum Tanzen aufgefordert hat. Und daß er mir einen Antrag gemacht haben soll, oder irgend etwas in der Art, das kann nur ein furchtbarer Irrtum sein. So etwas hätte ich doch mitbekommen! – nein, ich versichere dir bei allem, was mir heilig ist, zwischen uns ist keine Silbe in dieser Richtung gefallen. Die letzte halbe Stunde, bevor er abgereist ist! – Es muß alles ein großes Mißverständnis sein – denn ich bin ihm an diesem Tag doch gar nicht begegnet.«
»Nun,
das
bist du todsicher, denn du warst den ganzen Vormittag über in den Edgar’s Buildings – es war der Tag, als die Zustimmung von eurem Vater kam – und ich weiß genau, daß du mit John, bevor du gingst, eine Zeitlang allein im Besuchszimmer warst.«
»Wirklich? – Gut, wenn du es sagst, dann wird es wohl stimmen – aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. – Ich war bei dir, das weiß ich jetzt wieder, und da hab ich auch ihn und all die anderen gesehen, aber daß wir auch nur fünf Minuten allein gewesen sein sollen … gut, aber es lohnt sich nicht, darüber zu streiten, denn was immer in ihm vorgegangen sein mag – da ich keinerlei Erinnerung daran habe, mußt du mir glauben, daß ich weder an etwas Derartiges von seiner Seite gedacht noch es erwartet oder gewünscht habe. Es ist mir furchtbar arg, wenn er Gefühle für mich hegt – aber es war wirklich keinerlei Absicht meinerseits, ich hatte nie den leisesten Verdacht. Bitte öffne ihm so rasch wie möglich die Augen, er soll mir bitte verzeihen – nein, oder – ich weiß nicht, was ich sagen soll – aber mach ihm begreiflich, was ich meine, mit allem Respekt natürlich.Ich würde gewiß nie geringschätzig über einen Bruder von dir sprechen wollen, Isabella, aber du weißt ja, sollte ich an einen Mann mehr denken als an alle anderen, wäre es nicht er.« Isabella schwieg. »Meine liebste Freundin, du darfst mir nicht böse sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß deinem Bruder so schrecklich viel an mir liegt. Und Schwestern werden wir ja so oder so.«
»Ja, ja« (mit einem Erröten), »Schwestern sein können wir auf mehr als nur eine Art. – Aber wo denke ich hin? – Also, meine liebe Catherine, so wie es scheint, willst du von dem armen John nichts wissen – sehe ich das richtig?«
»Ich kann seine Zuneigung jedenfalls nicht erwidern und wollte ihn ganz gewiß nie zu irgend etwas ermuntern.«
»Wenn das so ist, werde ich dich nicht weiter damit aufziehen. John wollte, daß ich mit dir über die Sache spreche, und das habe ich getan. Aber ich muß gestehen, sobald ich seinen Brief gelesen hatte, fand ich es eine sehr törichte, unkluge Idee von ihm, die keinem von euch zum Guten gereicht hätte; denn wenn ihr zusammenkämt, wovon solltet ihr leben? Gut, ein bißchen habt ihr beide, aber von einem bißchen kann man heutzutage keine Familie ernähren; und was immer die Romandichter sagen mögen, ohne Geld geht es nicht. Ich frage mich nur, wie John auf so etwas kommt; er hat offenbar meinen letzten Brief noch nicht.«
»Dann unterstellst du mir also nichts Unrechtes mehr? – Du glaubst mir, daß ich deinen Bruder nie hinters Licht führen wollte und bis eben nicht geahnt habe, daß er etwas für mich empfindet?«
»Ach, was das angeht«, antwortete Isabella mit einem Lachen, »so will ich mir kein Urteil darüber anmaßen, welche Gedanken und Pläne du in der Vergangenheit gehegt oder nicht gehegt hast. Das wirst du selbst am besten wissen. Zu einer harmlosen kleinen Tändelei gehört nicht viel, und schon hat man mehr an Ermunterung gewährt, als man dann zu vertreten bereit ist. Aber verlaß dich drauf, ich bin die Letzte,die dich dafür verurteilt. Wenn man jung und ausgelassen ist, passiert so etwas schon einmal. Was man gestern noch gemeint hat, meint man heute vielleicht schon nicht mehr. Die Umstände ändern sich, Meinungen können sich wandeln.«
»Aber meine Meinung über deinen Bruder hat sich nicht gewandelt, sie war immer gleich. Du beschreibst etwas, was nie so geschehen ist.«
»Meine liebste Catherine«, fuhr die andere fort, ohne sich um ihre Worte zu kümmern, »ich würde um keinen Preis diejenige sein wollen, die dich zu einer Verbindung drängt, bevor du weißt, worauf du dich einläßt. Mit welchem Recht könnte ich von dir verlangen, dein ganzes Glück meinem Bruder zu opfern, nur weil
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