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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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er mein Bruder ist – wo er doch ohne dich möglicherweise genauso glücklich wird, die Leute wissen ja selten, was sie wollen, besonders junge Männer, sie sind so unglaublich wankelmütig und unbeständig. Nein, im Ernst, warum sollte das Glück eines Bruders mir wichtiger sein als das einer Freundin? Du weißt, mir geht Freundschaft über alles. Aber vor allen Dingen, meine liebste Catherine, überstürze nichts. Glaube mir, wenn du die Sache überstürzt, dann wirst du es früher oder später sicher bereuen. Tilney sagt, es gibt nichts, was wir Menschen so oft verkennen wie unser eigenes Herz, und ich glaube, er hat völlig recht. Ah, da kommt er – aber egal, er bemerkt uns bestimmt nicht.«
    Catherine sah auf und entdeckte Captain Tilney; und Isabella, die im Sprechen inständig den Blick auf ihn heftete, fing schon bald seine Aufmerksamkeit ein. Sofort trat er näher und setzte sich auf den Platz, auf den sie deutete. Sein erster Satz erschreckte Catherine. So leise er auch gesprochen war, verstand sie doch: »Na, wieder unter Aufsicht? Wenn’s persönlich nicht geht, dann muß es ein Stellvertreter sein.«
    »Pah, so ein Unsinn«, entgegnete Isabella in dem gleichen Flüsterton. »Was setzen Sie mir da für Flausen in den Kopf? Wenn ich Ihnen nun glauben würde – aber ich habe einen sehr unabhängigen Geist, wie Sie wissen.«
    »Ich wünschte, Ihr Herz wäre unabhängig. Das würde mir schon reichen.«
    »Mein Herz, daß ich nicht lache! Was kommen Sie mir mit Herzen? Ihr Männer habt doch allesamt keines.«
    »Wenn wir kein Herz haben, so haben wir doch Augen im Kopf, und die bereiten uns Qualen genug.«
    »Ach ja? Das tut mir leid; es tut mir leid, daß Ihre Augen sich so an mir stören. Dann schaue ich eben in die andere Richtung. So, jetzt sind Sie hoffentlich zufrieden«, (sie kehrte ihm den Rücken zu), »jetzt leiden Ihre Augen hoffentlich keine Qualen mehr!«
    »Mehr denn je; denn ein Stück rosiger Wange lugt noch hervor – zu wenig und doch zu viel.«
    Catherine, die all dies mithörte, konnte nicht länger ruhigen Gemütes lauschen. Sie begriff nicht, wie Isabella es ertrug; und eifersüchtig um James’ willen erhob sie sich – sie müsse zu Mrs. Allen zurück, sagte sie, und schlug vor, weiterzugehen. Aber dazu hatte Isabella gar keine Lust. Sie sei so unglaublich müde, es sei ihr ein solcher Graus, in der Trinkhalle herumzuparadieren, und wenn sie sich von ihrem Platz wegbewegte, würde sie am Ende noch ihre Schwestern verpassen, sie rechne doch jeden Moment mit ihren Schwestern, darum solle ihre liebste Catherine sie entschuldigen und sich schön wieder zu ihr setzen. Aber auch Catherine konnte stur sein; und da im selben Moment Mrs. Allen herzutrat und fragte, ob sie nicht bald nach Hause gehen wollten, machte sie kehrt und ging mit ihr aus der Trinkhalle, und Isabella blieb neben Captain Tilney sitzen. Mit einem höchst unguten Gefühl ließ Catherine die beiden allein. Captain Tilney, so ihr Eindruck, war drauf und dran, sich in Isabella zu verlieben, und Isabella ermutigte ihn hierin unbewußt – es konnte nicht anders als unbewußt sein, denn Isabellas Liebe zu James war so gewiß und so unbestreitbar wie ihr Verlöbnis mit ihm. An ihrer Wahrhaftigkeit oder ihren guten Absichten zu zweifeln war unmöglich; und doch hatte sie sich während des ganzenGesprächs seltsam gebärdet. Catherine wünschte, Isabella hätte mehr so geredet wie sonst auch immer, statt so viel über Geld, und hätte nicht so erfreut über Captain Tilneys Auftauchen gewirkt. Daß sie so blind für seine Bewunderung war! Wie gern hätte Catherine ihr einen Wink gegeben, sie gewarnt und dadurch dem Kummer vorgebeugt, den dies allzu kecke Betragen andernfalls nicht nur ihm, sondern auch ihrem Bruder bereiten mußte.
    Daß John Thorpe ein Auge auf sie geworfen haben sollte, tröstete sie keineswegs über die Gedankenlosigkeit seiner Schwester hinweg. Es schien ihr fast so unglaubhaft, wie es ihr unlieb war; denn sie hatte nicht vergessen, wie sehr er sich irren konnte, und wenn er ihr nun einen Antrag gemacht haben und von ihr ermutigt worden sein wollte, bewies das für sie nur, daß seine Irrtümer manchmal zum Himmel schrien. Ihre Eitelkeit förderte es somit wenig, nur an Ratlosigkeit gewann sie hinzu. Daß er sich allen Ernstes einbilden mochte, verliebt in sie zu sein, verblüffte sie über die Maßen. Isabella hatte von seinem Werben gesprochen;
sie
hatte davon nie etwas bemerkt; aber Isabella hatte vieles

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