Northanger Abbey
gehört, kann ich allemal sicherstellen, daß sie etwas abwirft. Selbst wenn Henrys Einkünfte einzig aus dieser Pfründe kämen, wäre er nicht schlecht versorgt. Sie wundern sich vielleicht, daß ich ihn bei nur zwei jüngeren Kindern überhaupt einen Beruf habe ergreifen lassen, und natürlich gibt es Momente, da wünschten wir ihn gänzlich frei von jedweder Amtspflicht. Aber auch wenn es mir kaum gelingen wird, euch junge Damen zu bekehren – Ihr Vater, Miss Morland, würde mir sicherlich beistimmen, daß ein junger Mann eine Aufgabe braucht. Nicht wegen des Geldes, das zählt nicht; was zählt, das ist eine Aufgabe. Sogar Frederick, mein ältester Sohn, der einmal einen so stattlichen Grundbesitz erben dürfte wie nur irgendein Privatmann im Lande, hat seinen Beruf.«
Dies letzte Argument war so schlagend in seiner Wirkung, wie er sich nur wünschen konnte: Das Schweigen der Dame bewies seine Unwiderlegbarkeit.
Am Vorabend war die Rede von einem Rundgang durchsHaus gewesen, und nun bot er sich als ihr Führer an; und obwohl Catherine darauf gehofft hatte, es mit seiner Tochter allein erkunden zu dürfen, verhieß dieser Vorschlag unter allen Umständen zu viel Herrliches, um nicht froh angenommen zu werden; schließlich war sie schon achtzehn Stunden in der Abtei und hatte noch immer nur ein paar ihrer Räume gesehen. Das Handarbeitskörbchen, eben erst müßig hervorgezogen, wurde in freudiger Hast wieder zugeklappt, und sie erklärte sich jederzeit aufbruchbereit. Und nach der Hausführung, so hoffte er, werde er doch auch noch das Vergnügen haben, sie zu den Strauchpflanzungen und Gärten zu geleiten? Sie knickste fügsam. Aber vielleicht ziehe sie es ja sogar vor, letztere zuerst zu besichtigen? Jetzt eben sei ihnen das Wetter hold, und zu dieser Jahreszeit könne man nie sicher sein, daß es hielt. – Was sage ihr mehr zu? Er stehe ihr für beides gleichermaßen zu Diensten. – Was seine Tochter denn meine? Wie sei es ihrer reizenden Freundin am liebsten? – Aber er glaube, er sehe es schon. – Doch, er könne an Miss Morlands Gesicht den wohlerwogenen Wunsch ablesen, die Gunst des Wetters zu nutzen. – Aber wann gehe ihr Urteil schon je fehl? – In der Abtei sei man ja jederzeit trocken und geschützt. – Er gab scheinbar nach; er wolle nur seinen Hut holen und dann gleich wieder zu ihnen stoßen. Damit ging er aus dem Zimmer, und Catherine fing mit enttäuschtem, besorgtem Gesicht davon an, wie arg es ihr sei, wenn er sich nun überwand und sie beide nach draußen begleitete, nur weil er das für ihren Wunsch hielt; aber Miss Tilney fiel ihr ins Wort; in leicht betretenem Ton sagte sie: »Ich denke, es ist am vernünftigsten, wir nützen das schöne Wetter heute morgen aus; und machen Sie sich bitte keine Gedanken um meinen Vater, er geht um diese Tageszeit immer spazieren.«
Catherine wußte nicht recht, wie sie das aufnehmen sollte. Warum war Miss Tilney so verlegen? Der General hatte doch nicht am Ende etwas dagegen, ihr die Abtei zu zeigen? Der Vorschlag kam schließlich von ihm. Und war es nicht seltsam,daß er
immer
so früh spazierengehen sollte? Weder ihr Vater noch Mr. Allen taten das. Es war alles höchst ärgerlich. Sie brannte darauf, das Haus zu sehen; der Park reizte sie so gut wie gar nicht. Wenn wenigstens Henry mit von der Partie gewesen wäre! – aber so würde sie nicht einmal wissen, was malerisch war und was nicht. All das ging ihr durch den Kopf, aber sie behielt es für sich und band in verdrießlicher Ergebenheit ihre Haube um.
Dennoch war sie über Erwarten beeindruckt von der Majestät der Abtei, als sie sie nun erstmals über den Rasen hinweg sah. Das Gebäude als Ganzes umschloß einen großen Innenhof, und zwei Seiten dieses Gevierts, reich mit gotischen Ornamenten verziert, luden besonders zur Bewunderung ein. Den Rest verdeckten Grüppchen alter Bäume oder üppige Anpflanzungen, und die steilen bewaldeten Hügel, die beschirmend dahinter aufragten, waren selbst im blattlosen Monat März schön. Catherine hatte in ihrem Leben nichts Vergleichbares gesehen, und sie war so hingerissen davon, daß sie erprobteres Urteil gar nicht erst abwartete, sondern ihrem Erstaunen und Entzücken kühn freien Lauf ließ. Der General lauschte in zustimmender Dankbarkeit, und es wirkte, als sei seine eigene Meinung über sein Haus bis zu dieser Stunde in der Schwebe gewesen.
Als nächstes galt es den Küchengarten zu bewundern, und durch einen kleinen Zipfel des Parks führte
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