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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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diese Treppe herauf?«
    »Wieso ich diese Treppe heraufkomme!« wiederholte er ganz verwundert. »Weil es der schnellste Weg vom Stall zu meinem Zimmer ist; und warum sollte ich sie nicht heraufkommen?«
    Catherine besann sich, errötete tief und konnte nicht antworten. Er schien in ihrem Gesicht nach der Erklärung zu suchen, die ihre Lippen ihm schuldig blieben. Sie bewegte sich in Richtung der Galerie. »Könnte ich nicht meinerseits«, sagte er, indem er die Flügeltür aufstieß, »fragen, wie
Sie
hierherkommen? Dieser Korridor ist ein mindestens so unorthodoxer Weg vom Frühstückszimmer zu Ihrem Zimmer wie die Treppe vom Stall zu dem meinigen.«
    »Ich habe mir«, sagte Catherine mit gesenktem Blick, »das Zimmer Ihrer Mutter angesehen.«
    »Das Zimmer meiner Mutter! Gibt es dort denn etwas Außergewöhnliches zu sehen?«
    »Nein, gar nichts. – Aber wollten Sie nicht erst morgen wieder hier sein?«
    »Ich hatte ursprünglich nicht gedacht, daß ich früher heimkommen könnte; aber vor drei Stunden hat sich angenehmerweise gezeigt, daß es nichts weiter zu erledigen gab. – Sie sehen blaß aus. Ich habe Sie doch nicht etwa erschreckt, als ich so schnell die Treppe hinaufgerannt bin? Vielleicht wußten Sie nicht … vielleicht war Ihnen nicht klar, daß sie von den Wirtschaftsräumen heraufführt?«
    »Nein, das wußte ich nicht. – Sie hatten sehr schönes Wetter für Ihren Ritt.«
    »Sehr schönes, ja; – und schickt Eleanor Sie überall hier allein auf Entdeckungsreise?«
    »O nein, sie hat mir am Samstag fast das ganze Haus gezeigt – und wir kamen gerade zu diesen Zimmern hier – aber« – (sie dämpfte die Stimme) – »aber Ihr Vater war dabei.«
    »Und deshalb ging es nicht«, sagte Henry und sah sie ernsthaft an. – »Haben Sie sich alle Zimmer auf diesem Korridor angeschaut?«
    »Nein, ich wollte nur – ist es nicht schon sehr spät? Ich muß zurück und mich umziehen.«
    »Es ist erst Viertel nach vier« – (er zeigte ihr seine Uhr) – »und wir sind nicht in Bath. Kein Theater, kein Ball, für den Sie sich aufputzen müßten. In Northanger muß eine halbe Stunde genügen.«
    Dem konnte sie nichts entgegnen, und so mußte sie es erdulden, daß er sie aufhielt, auch wenn sie sich in ihrer Angst vor seinen nächsten Fragen zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, aus seiner Gesellschaft wegsehnte. Sie gingen langsam die Galerie entlang. »Haben Sie in der Zwischenzeit Post aus Bath bekommen?«
    »Nein, und das wundert mich sehr. Isabella hatte so zuverlässig versprochen, gleich zu schreiben.«
    »So zuverlässig versprochen! – Ein zuverlässiges Versprechen … das verwirrt mich. – Zuverlässiges Handeln kenneich. Aber ein zuverlässiges Versprechen – Verläßlichkeit schon beim Geloben? Gut, aber da es Sie täuschen und Ihnen weh tun kann, will ich davon auch gar nichts wissen. Das Zimmer meiner Mutter ist sehr bequem, finden Sie nicht? Geräumig und freundlich, und die Kleiderkammern so gut plaziert! Für mich ist es das komfortabelste Zimmer im ganzen Haus, es ist mir ein Rätsel, daß Eleanor es nicht übernehmen will. Sie hat Sie sicher hergeschickt, damit Sie es sich ansehen?«
    »Nein.«
    »Dann war es ganz allein Ihre Idee?« – Catherine blieb stumm – Nach einem kurzen Schweigen, während dessen er sie aufmerksam musterte, fügte er hinzu: »Da das Zimmer an sich nichts enthält, was Ihre Neugier wecken könnte, muß dahinter eigentlich Hochachtung vor dem Wesen meiner Mutter stecken, so wie Eleanor es Ihnen beschrieben hat – ein sehr ehrenvoller Tribut an sie. Ich glaube nicht, daß je eine vortrefflichere Frau gelebt hat. Aber daß Tugend auf soviel Interesse stößt, ist selten. Eine Verstorbene, die man nicht persönlich kannte und deren Verdienste sämtlich im Privaten, Unauffälligen lagen, ruft nicht oft eine so heftige Zuneigung und Verehrung hervor, daß man deshalb gleich auf Wallfahrt auszöge. Eleanor hat wohl sehr viel von ihr erzählt?«
    »Ja, sehr viel. Das heißt – so viel auch wieder nicht, aber was sie gesagt hat, war sehr fesselnd. Dieser plötzliche Tod von ihr« – sie sagte es langsam und zögernd – »und daß Sie – daß Sie alle nicht daheim waren – und Ihr Vater – ich hatte das Gefühl, ihm – ihm hat sie vielleicht nicht so viel bedeutet.«
    »Und aus diesen Umständen«, erwiderte er, und sein scharfes Auge ließ ihr Gesicht nicht los, »schließen Sie nun möglicherweise auf irgendeine Form der Unterlassung – auf« (unwillkürlich

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