Nosferas
taten. Es würde sich schon eine Möglichkeit ergeben.
Die Gelegenheit kam in der Pause um Mitternacht. Signora Enrica verabschiedete sich und kündigte an, dass Professore Ruguccio den Unterricht in einer halben Stunde fortsetzen würde.
Die Vampire verließen den Unterrichtsraum, verteilten sich in den Gängen, schlenderten in den Hof oder gingen in den Käuzchensaal. Überall drehten sich die Gespräche um die Silberhaarige und ihren Wolf, nur um schlagartig zu verstummen, wenn die beiden in Hörweite kamen. Die Irin bemerkte es entweder nicht oder sie ignorierte das Wispern und Raunen sehr überzeugend. Nachdem sie ihre Habseligkeiten im ersten Schlafraum untergebracht hatte, trat sie - den Wolf an ihrer Seite - in den Versammlungsraum. Luciano brach mitten im Satz ab, als Ivy-Máire vor ihm auftauchte, und lächelte ein wenig dümmlich. Alisa schwankte, ob sie sich darüber ärgern oder amüsieren sollte. Sie sah von dem Mädchen zu Franz Leopold, dessen Blick auf Luciano ruhte. Sein Gesicht nahm einen boshaften Ausdruck an. Offensichtlich hatte er seine telepathischen Kräfte eingesetzt und würde sich nun nicht scheuen, Lucianos Gefühle und geheimsten Gedanken laut vor den anderen zu verkünden. Dass dies für den jungen Römer peinlich werden würde, stand außer Frage, doch was konnte sie dagegen tun?
Franz Leopold öffnete den Mund, ehe er jedoch etwas sagen konnte, wandte sich Ivy-Máire an ihn.
»Ich habe dich schon einmal darauf hingewiesen, dass das sehr unhöflich ist!«, sagte sie mit sanftem Vorwurf in der Stimme. »Als ich dich aufforderte, es zu unterlassen, meinte ich nicht nur mir gegenüber! Du solltest deine Fähigkeit auch nicht gegen deine anderen Mitschüler einsetzen, die noch nicht gelernt haben, ihre Gedanken zu schützen. Es ist eine Waffe, die wir zur Verteidigung und zur Jagd nutzen. - Nein, bemühe dich nicht weiter. Du wirst bei mir keinen Erfolg haben.« Sie wandte sich ab.
Franz Leopold stotterte: »Das ist unmöglich. Nur die Dracas beherrschen die Gedankenkräfte!« Verwirrt schüttelte er den Kopf und glitt nach draußen.
Luciano stemmte sich aus seinem Sessel hoch und eilte mit unbeholfenen Schritten zu Ivy-Máire. »Danke, das war sehr nett von dir. Ich weiß zwar nicht genau, was er sagen wollte, aber es wäre für mich …« Er hielt inne und sah verlegen zur Seite.
Ivy-Máire dagegen schien nicht im Mindesten aus dem Gleichgewicht gebracht. »Es war mir ein Vergnügen, Luciano.«
Der Römer verbeugte sich linkisch. »Ich stehe zu deinen Diensten, falls du jemals meine Hilfe brauchst. Nicht dass ich denke, meine Kräfte könnten sich auch nur ansatzweise mit deinen …«
Sie unterbrach ihn. »Ich danke dir und nehme dein Angebot an. Wie wäre es, wenn du mich ein wenig in eurem Reich herumführen würdest? Ich denke, wir haben nach der letzten Lektion noch genügend Zeit, ehe die Morgendämmerung uns in unsere Särge treibt.«
Luciano strahlte. »Oh ja, wenn du willst, zeige ich dir das Kolosseum und die Ruinen auf dem Palatinhügel.«
Ivy-Máire lächelte. »Das hört sich faszinierend an. Dürfen wir alleine gehen oder müssen wir einen Aufpasser mitnehmen?« Sie nickte in Richtung der Servienten, die sich in eine Ecke zurückgezogen hatten und ihre Schützlinge unauffällig im Auge behielten.
»Wenn ich Francesco befehle, hierzubleiben, dann wird er meinen Wunsch respektieren!«
»Gut!« Sie lächelte. »Ich bin gespannt.«
Luciano sah zur Seite und begann, mit seinen abgekauten Nägeln nervös an seiner Jacke zu zupfen. »Wenn es dir nichts ausmacht, dann könnten wir Alisa von den Vamalia aus Hamburg mitnehmen.«
Ivy-Máire sah zu ihr herüber, und Alisa bemühte sich, eine gleichgültige Miene aufzusetzen, während sie überlegte, ob Luciano nur Angst davor hatte, mit der Irin allein zu sein, oder ob er sich schon so freundschaftlich mit ihr verbunden fühlte, dass er auch ihr die römischen Ruinen zeigen wollte.
Ivy-Máire kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Aber ja! Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen. Ich bin Ivy.« Sie schüttelten einander feierlich die Hände. Alisa musterte Ivy abschätzend, konnte aber keine Bosheit oder versteckte Falschheit erkennen. Vielleicht war sie so freundlich, wie sie sich gab. Und dennoch spürte Alisa so etwas wie eine Barriere, eine undurchdringliche Mauer, die all das fest umschloss, was nicht nach außen dringen sollte. Ihre Offenheit reichte nur so weit, wie die junge Vampirin es zuließ. Ihre
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