Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
philosophischen Betrachtungen ausholen konnte, führte er die beiden Mädchen weiter. »Es muss einmal sehr prächtig ausgesehen haben. Einer unserer Altehrwürdigen hat über hundert Jahre lang alle Dokumente gesammelt, die er finden konnte. Er besitzt auch Zeichnungen, die zeigen, dass überall unter den Bögen Statuen standen. Ein riesiges Zeltdach spendete den Besuchern Schatten.«
    Heute steckte das römische Amphitheater in seinem eigenen Schuttberg, sodass der Weg ins Innere durch die unteren Bogengänge versperrt war.
    Luciano blieb stehen und zeigte auf eine Öffnung im Boden. »Wenn wir durch das Loch kriechen, kommen wir in den unterirdischen Teil des Theaters und von dort auch in die Arena und auf die Ränge.«
    Sie duckten sich und schlüpften in den Gang, der schon bald wieder höher wurde, sodass zumindest Ivy aufrecht gehen konnte. Sie kamen an kleinen Kammern und halb verschütteten.
    Korridoren vorbei. Die Wände waren gebogen, und die Gänge liefen  in einem spitzen Winkel aufeinander zu, als befänden sie sich im Rumpf eines riesigen Schiffes.
    »Dort lagen vermutlich die Käfige der wilden Tiere und die Zellen der Gefangenen, die ihnen zum Fraß vorgeworfen wurden«, erklärte Luciano. »Und hier müssen hölzerne Plattformen eingebaut gewesen sein, die über Seile und Winden als Aufzüge dienten.«
    »Und die Gladiatoren?«, wollte Alisa wissen. »Haben die auch hier unten gewohnt?« Sie sah sich interessiert um. Auch wenn alles alt und halb verfallen war, schien es auch früher schon eng und nicht sonderlich bequem gewesen zu sein.
    »Sie haben hier sicher ihre Rüstungen angelegt und auf ihre Kämpfe gewartet, doch gewohnt und trainiert haben sie in Kasernen außerhalb.«
    Sie gingen weiter. Immer wieder mussten sie Bergen von Steinen und Schutt ausweichen. Einmal kamen sie an eine Stelle, an der die Decke eingebrochen war und sie einen Blick auf den nächtlichen Himmel erhaschen konnten.
    Luciano deutete nach oben. »Der altehrwürdige Giuseppe erzählt, dass die Menschen schon vor hundert Jahren mit Leitern durch dieses Loch heruntergestiegen sind. Mit Fackeln und Lampen sind sie hier staunend umhergewandert und haben sich an ihrem Schauder erfreut. Ja, es sollen ganze Picknickgesellschaften oben auf den Rängen stattgefunden haben. Besonders romantisch fanden sie es, bei Mondlicht durch die Ruinen zu wandern.«
    Alisa sah in den Himmel. Die Wolken wanderten weiter und enthüllten eine schmale Mondsichel, deren Licht Ivys Haar wie flüssiges Silber leuchten ließ.
    »Ich glaube, ich erinnere mich an ein paar Zeilen unseres Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Er schreibt über eine helle Mondnacht über den Ruinen. Ja, er muss hier gewesen sein.«
    Luciano zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls begannen die Menschen plötzlich, sich für die alten Ruinen zu interessieren. Sie wollten die Mauern erhalten, sie von Büschen und Unkraut befreien und die Paläste und Tempel ausgraben. Es war eine aufregende Zeit, kann ich mir denken. Viele der Nosferas bangten, dass die Menschen sich auch der Existenz der Domus Aurea wieder erinnern und trotz unserer Abwehrmaßnahmen dort eindringen könnten. Aber dann verschwanden die Menschen wieder und die Stille kehrte in die Ruinenstätte und ins Kolosseum zurück.«
    »Sie graben nicht mehr weiter?«, fragte Ivy.
    »Nein«, bestätigte Luciano. »Vielleicht haben sie das Interesse an den alten Zeiten verloren. Sie haben Wichtigeres zu tun, jetzt, da der Papst die Macht verloren hat und Rom zur Hauptstadt eines neuen Königreichs geworden ist. Vermutlich müssen sich die Römer nun nicht mehr mit der alten Kaiserherrlichkeit ihrer Stadt beschäftigen und können ihre Ruinen vergessen - und sie uns überlassen!«
    Sie hatten inzwischen eine steile Rampe erklommen und standen nun im Innern des Amphitheaters. Immer noch war es ein gewaltiger Anblick. Man konnte sich vorstellen, wie dort unten in der ovalen Arena die Gladiatoren mit Schwert und Schild oder Dreizack und Netz um ihr Leben gekämpft hatten, begleitet vom ohrenbetäubenden Geschrei der Tausenden auf den Rängen.
    Luciano deutete auf die halb verfallenen Bögen zu beiden Seiten der Arena. »Dort im Westen betraten die Gladiatoren den Kampfplatz durch die Porta Triumphalis. Und durch die Ostpforte, die Porta Libitinaria, wurden ihre Leichen rausgetragen.«
    Der Wolf stieß Ivy in die Seite und entblößte seine Fangzähne. Seine Ohren spielten nervös. »Seymour möchte, dass wir gehen.«
    Die

Weitere Kostenlose Bücher