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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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setzen. Fahren wir mit Konstantin dem Großen fort, der sich zum Christentum bekehren ließ.«
    »Das war die schlimmste Nacht meines Lebens«, jammerte Tammo, als die Altehrwürdigen die Schüler endlich entließen. Alisa betastete mit düsterer Miene ihre Finger.
    »Du hast es immerhin geschafft, die Nacht ohne Schläge zu überstehen.«
    »Ja, diese Nacht habe ich überlebt, aber das wird vermutlich nicht die letzte in ihrer Gesellschaft sein, oder?«
    Alisa musste ihrem Bruder schweren Herzens recht geben. »Vielleicht sollten wir selbst ein wenig über die römische Geschichte herausfinden?«
    Tammo sah sie an, als wäre sie plötzlich verrückt geworden. Er wandte sich ab und ließ seine Schwester allein im Hof stehen. Alisa sah ihm nach, als ein Kichern sie herumfahren ließ. Es war der altehrwürdige Giuseppe, der auf einer vergoldeten Liege auf roten Samtpolstern ruhte. Er sah zu Alisa herüber und winkte sie zu sich. Zögernd folgte sie der Aufforderung.
    »Eine gute Nacht, altehrwürdiger Giuseppe«, sagte sie und fragte sich, ob die Anrede für den ehemaligen Clanführer korrekt war. Oder war er auch noch Conte? Jedenfalls korrigierte er sie nicht.
    »Signorina Alisa«, sagte er mit krächzender Stimme, die viel schwächer klang als noch vor einigen Tagen bei ihrer Ankunft. »Habt ihr eure erste Lektion bei unseren gelehrten Geschwistern hinter euch gebracht?«
    »Ja«, antwortete sie gedehnt und wusste dann nicht weiter. Er würde sicher keine Beschwerden hören wollen und etwas Gutes konnte Alisa über diese Schinder nicht sagen.
    Der alte Giuseppe kicherte noch einmal und ließ sich in seine Kissen sinken. »Haben diese Scheusale euch kräftig malträtiert?« Alisa nickte.
    »Das haben sie schon immer gern gemacht. Ich meine, andere tyrannisieren. Der Conte könnte davon auch ein Lied singen. Als mein lieber Enkel noch ein Kind war, gab es einige Zusammenstöße, die für ihn sehr schmerzlich ausfielen. Ich kann mich erinnern, dass Letizia ihm einmal sogar in die Kehle gebissen hat.« Alisa wagte nicht zu fragen, ob er sich einen Scherz mit ihr erlaubte.
    »Nun sind sie mit dieser Akademie natürlich in ihrem Element.« Er stöhnte, presste die flache Hand auf den Leib und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
    »Geht es Euch nicht gut? Kann ich etwas für Euch tun?«, fragte Alisa. Er sah wirklich schlecht aus. Als wäre er in den wenigen Nächten um Jahrhunderte gealtert.
    »Das wird schon wieder«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung und lachte rau. »Das ist der Absinth, der durch meinen Körper kreist.«
    »Absinth?«
    »Ein teuflisches Zeug. Ein langsames Dahinsiechen für die Menschen, die sich den Verstand zerstören, und auch Verderben für uns, wenn wir ihr Blut trinken. Ich habe mich schon lange an den Genuss nächtlicher Wanderer gewöhnt, deren Blut schwer von Wein ist. Früher trübte es meine Sinne. Die Jungen müssen noch aufpassen, wen sie sich greifen! Man kann es schon von Weitem wittern, wenn die Menschen zu viel Vergorenes genossen haben. Doch der Absinth ist dämonisch. Ich kenne die Kreise, bei denen Vorsicht geboten ist, doch bei diesem Mädchen habe ich nicht bemerkt, dass es fast zur Ohnmacht verunreinigt war. Es war mein Glück, dass mich einer der Jungen aus Enricas Linie fand und hierher zurückbrachte. Nun liege ich schon die zweite Nacht nutzlos auf diesem Lotterbett herum und muss mich wie ein zahnloses Kleinkind füttern lassen!«
    »Werdet Ihr Eure Kräfte wieder zurückgewinnen?«
    »Aber ja, aber ja. Der Absinth kann mich nicht ewig lähmen.«
    »Möge die Nacht mit Euch sein, altehrwürdiger Giuseppe, und Euch stets zu frischem Blut führen.« Alisa verneigte sich und wollte sich zurückziehen, doch er hielt sie zurück.
    »Sag dem ersten Schatten, den du findest, er soll mir Leandro  schicken. Ich will, dass er mir ein Buch aus der Bibliothek bringt. Ich muss etwas nachschlagen!«
    Alisa sah ihn mit funkelnden Augen an. »Eine Bibliothek? Hier in der Domus Aurea?«
    »Aber ja. Im Ostflügel der Altehrwürdigen, deren Aufgabe es ist, zu erhalten und zu bewahren.«
    »Haben alle, die etwas lesen möchten, Zutritt?«, fragte sie aufgeregt.
    »Wer interessiert sich schon für das Alte, für Traditionen und Geschichte und für die großen Dichter meiner Zeit?«
    »Ich interessiere mich sehr für die Menschen und ihre Erfindungen und ich würde auch gern mehr über Roms Geschichte erfahren.«
    Der alte Giuseppe lächelte. »Ich werde es Leandro ausrichten.

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