Nosferas
zerrissen!«
Hindrik trat an Alisas Kiste und hob das Kleid hoch, das gereinigt und geflickt worden war. »Ich habe eine nette kleine Römerin namens Raphaela gefunden, die geschickt mit Nadel und Faden umzugehen weiß.« Alisa öffnete den Mund, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Und außerdem habe ich dir das hier besorgt.« Er nahm ein Stoffbündel und reichte es ihr.
Alisa rollte es auf. Es bestand aus einem weißen Seidenhemd, einer schlichten, aber gut geschnittenen Jacke mit kurzen Schößen und einer langen schwarzen Hose. Eine Halsbinde mit Rüschen, weiße Seidenstrümpfe und flache Lederschuhe vervollständigten die Garderobe. Alisa sah sprachlos zu ihm auf.
Hindrik lächelte »Ich denke, die engen Röcke sind wirklich ein wenig hinderlich bei euren Übungen - aber nun wird es höchste Zeit, dass ihr euch zur Ruhe begebt!«
Er ruckte den Deckel von Ivys Sarg, wartete, bis sie sich hingelegt hatte, und schloss ihn dann wieder. Seymour sprang auf den Steinsarkophag und ließ sich darauf nieder, die Schnauze zwischen den Pfoten.
Alisa schlüpfte rasch in ihre neuen Kleider. »Danke«, sagte sie, als sie ihm ihre alten Sachen reichte.
Hindrik öffnete ihren Sarkophag. »Keine Ursache. Nichts gegen dein Kleid, aber das passt besser zu dir.«
Sie sah an sich hinunter und lächelte ihn dann an. »Nicht wahr? Und ich werde sicher noch bei vielen Gelegenheiten froh über die viel praktischeren Hosen sein!«
»Das bezweifle ich nicht«, murmelte der Servient. »Ach übrigens, auch in Rom gibt es Zeitungen!« Er griff in die Tasche seines Umhangs und reichte ihr eine neue Ausgabe des Osservatore Romano. »Wenn du fleißig Italienisch lernst, dann kannst du sie bald lesen.«
»Oh, das ist ja wunderbar. Ich begann bereits, meine Zeitungslektüre zu vermissen.« Sie faltete das Blatt auseinander und ließ den Blick über die Bilder und die fremden Wörter gleiten.
»Nicht jetzt! Leg sie zur Seite.« Alisa seufzte, als Hindrik den schweren Deckel über ihr zuschob.
»Ich bin gespannt, was uns Signora Enrica heute zeigen wird«, sagte Alisa zu Ivy, die sich in der Halle mit der goldenen Decke neben sie gesetzt hatte. Luciano kam gähnend herein, fuhr sich mit den Händen durch das wirre dunkle Haar und ließ sich neben Chiara auf der Bank gegenüber nieder.
»Signora Enrica? Nein, ich glaube nicht, dass sie uns heute unterrichten wird. Ich habe gehört, dass sie mit Professor Ruguccio einige Katakomben besuchen will.«
Tammo, der auf Alisas anderer Seite saß, reckte den Hals. »Die Professoren sind nicht da? Haben wir dann frei? Fernand hat gesagt, er würde mir ein Spiel zeigen, das sie in ihren Labyrinthen unter Paris immer spielen.« Luciano schüttelte den Kopf.
»Fernand? Ich dachte, du magst ihn nicht?«, fragte Alisa.
Tammo zuckte mit den Schultern. »Ach ja, er ist schmuddelig und riecht streng und spricht ein wenig seltsam, aber eigentlich ist er ganz in Ordnung. Man muss nur aufpassen, dass man ihn nicht reizt. Er schlägt ganz ordentlich zu.« Er rieb sich verstohlen den Oberarm. »Jedenfalls ist er mir lieber als das ganze aufgetakelte Dracaspack, das mich immer ansieht, als wäre ich eine Kakerlake.«
Alisa schaute kurz zu Franz Leopold hinüber, der mit dem Rest der Dracas etwas abseits saß. »Ja, da ist was dran. Dabei ist er solch eine Augenweide, solange er den Mund nicht öffnet.«
»Ich habe nie einen schöneren Jungen gesehen«, bestätigte Ivy, doch ohne den sehnsuchtsvollen Ton, in dem Chiara über Franz Leopold sprach.
»Ich begreife das nicht«, sagte Alisa. »Wie kann ein Vampir so wundervolle Haut haben, ein so edles Gesicht, majestätischen Wuchs und dennoch durch und durch widerlich sein?«
»Das ist er nicht«, widersprach Ivy.
»Nein?« Die beiden Römer und die Vamalia aus Hamburg sahen sie verdutzt an. »Dann hast du ihm noch nicht länger als drei Worte zugehört!«, behauptete Chiara.
Ivy neigte den Kopf, dass der Kerzenschein über ihr langes silbernes Haar glitt. »Doch. Ich habe nicht nur seinen Worten, sondern auch seinen Gedanken und Gefühlen gelauscht.«
»Und da behauptest du, er wäre nicht das schlimmste Scheusal, das hier herumläuft?«, ereiferte sich Chiara.
»Ja, das behaupte ich.«
»Stimmt, ich glaube Karl Philipp ist noch schrecklicher«, stimmte Luciano zu. Alisa hörte ihm nicht zu. Sie sah wieder zu Franz Leopold hinüber, der, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gerade etwas Abfälliges zu Joanne gesagt hatte. Zu gern hätte
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