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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kardinal eine Maske in der Farbe seines Gewandes hervor und verhüllte sein Gesicht und auch sein goldenes Kreuz verbarg er unter dem roten Stoff. Im einstigen Tempelraum des antiken Heiligtums setzte er sich an die Stirnseite des Tisches. Während die anderen Räume nun hell erleuchtet waren, brannte hier nur eine einzige Kerze in der Mitte.
    Die Mitglieder des Zirkels kamen herein. Der Kardinal vernahm noch die letzten Satzfetzen:
    »Soll der Heilige Vater doch zu seinem geliebten Waisenhaus Tata Giovanni zurückkehren, wenn er zu kleinmütig für diesen großen Plan ist.«
    »Er hat sich schon früh dem Risorgimento* entzogen. Ich glaube sowieso nicht, dass er der rechte Mann wäre, die Stelle des Königs einzunehmen«, sagte ein anderer.
    »Was wollt ihr?«, knurrte die unverwechselbar raue Stimme des einzigen Mannes, der keine kirchliche Karriere anstrebte. »Ihr habt eure Vereinigung Italiens bekommen. Ist es so wichtig, ob ein König oder ein Papst an der Spitze steht? Könige und Päpste kommen und gehen.«
    »Na, dafür hält sich unser verehrter Pius schon erstaunlich lang«, warf ein anderer leise ein. »Hat überhaupt schon einmal ein Papst so viele Jahre auf diesem Stuhl gesessen?«
    Der vorherige Sprecher ließ sich nicht ablenken und setzte noch hinzu: »Ob König oder Papst, die Fäden werden an anderen Orten im Verborgenen gezogen. Und außerdem sind wir nicht hier, um Politik zu treiben, sondern um die Dämonen der Nacht zu bekämpfen.«
    Die Männer setzten sich auf ihre Plätze. Der letzte der sechs Verhüllten kam etwas später und rutschte stumm auf seinen Stuhl. Der Kardinal ließ seinen Blick über die weiten Umhänge und die rotsamtenen Masken unter den Kapuzen gleiten. Plötzlich stutzte er und beugte sich weit in seinem Stuhl vor. Was war das? Der Mann trug nicht die Maske, die er ihm bei seinem Schwur übergeben hatte. Es war eine billige Kopie aus Papier und dünnem rotem Stoff. Der so Angestarrte zog seine Kapuze noch ein wenig tiefer ins Gesicht und senkte wie beschämt den Kopf.
    »Verzeiht, Eminenz, ich konnte sie nicht finden. Ich muss sie wohl verlegt haben. Sie wird wieder auftauchen«, fügte er hastig hinzu.
    »Das will ich hoffen! Und so etwas wird nie wieder vorkommen!«, knurrte der Kardinal. Dann erhob er sich und eröffnete die Versammlung. Nach den üblichen einleitenden Worten und dem Schwur, dem Zirkel treu und über alle Angelegenheiten verschwiegen zu bleiben, setzte er sich wieder.
    »Liebe Mitbrüder, vielleicht habt ihr bereits erfahren, dass Graf Barbo einen - sagen wir - unerklärlichen, tödlichen Unfall hatte. Er wird sich nicht mehr beim König gegen die Pläne des Vatikans einsetzen können!« Beifälliges Raunen erklang. »Dieses Problem ist also gelöst, und ich versichere euch, dass wir uns auch nicht länger um den Minister aus dem Hause Colonna Gedanken machen müssen.«
    »Ich wüsste zu gern, wer seine assassinos sind«, murmelte der Mann mit der heiseren Stimme. »Wenn ich mit meiner Vermutung recht habe …« Der Kardinal warf ihm einen scharfen Blick zu. Die Maske senkte sich, sodass er ihm nicht mehr in die Augen sehen konnte.
    »Gut. Leider hat sich eine - Unstimmigkeit ergeben, daher können wir mit der uns gesetzten Aufgabe nicht sofort fortfahren. Heute kann ich euch nicht Ort und Zeit für unsere nächste Tat zu Ehren Gottes nennen.« Er hob die Hände, um das aufsteigende Gemurmel zu unterbinden. »Es ist nur eine kleine Irritation, die  ich schon bald ausräume. Ich lasse euch auf dem üblichen Weg zusammenrufen, wenn ich neue Hinweise in den Händen halte. Habt ihr etwas zu berichten?« Er ließ den Blick schweifen.
    »Es gibt Pläne bezüglich des Palatins«, sagte der Dritte links.
    »Und? Ihr wisst, dass das verhindert werden muss!«
    Der Maskenmann nickte. »Ja. Das werde ich. Vom Kolosseum spricht gerade niemand mehr.«
    »Gut, dann löse ich die Sitzung für heute auf.«
    Die sechs Mitglieder erhoben sich, verneigten sich vor dem Kardinal und gingen hinaus. Der Kardinal sah ihnen nach und lauschte ihren Stimmen, bis das alte Heiligtum wieder still dalag. Die Fackeln draußen an den Wänden tanzten unruhig. Ein Luftzug drückte auf die Kerzenflamme.
    Irgendetwas war hier faul. Der Kardinal schloss die Augen und rief sich die Versammlung noch einmal ins Gedächtnis. Er sah die sechs Mitglieder des Zirkels in ihren Roben und den roten Masken vor sich, hörte ihre Worte und das Geflüster.
    Nein, das war es nicht, was ihn beunruhigte. Es

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