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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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unerträglichen Stimme des Professors ablenken konnte. Sie klang, als würde er bei jedem Wort seine gekrümmten Nägel über die große Schiefertafel ziehen. Alisa schauderte.
    »Was machst du da?« Der Rohrstock knallte vor ihr auf den Tisch. Alisa zuckte zusammen. Ehe sie den Zettel verschwinden lassen konnte, hatte ihn die Krallenhand ihr bereits entrissen.
    »Was soll das heißen? Wollt ihr euch über die Nosferas und ihre Domus Aurea beschweren? Ihr Abkömmlinge unbedeutender Familien?« Noch einmal fuhr der Rohrstock herab. Alisa presste trotzig die Lippen zusammen. »Streck die Hände aus!«
    Der Stock begann zu tanzen. Sie schlug kraftvoller zu, als man es ihr aufgrund ihres vertrockneten Aussehens zugetraut hätte! Alisa biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien. Dennoch entwich ihr ein Stöhnen. Die anderen Schüler starrten mit weit aufgerissenen Augen zu ihr herüber, während der Professor ungerührt weitersprach. Tammo erhob sich langsam von seinem Platz. Wollte er gegen ihre Züchtigung protestieren? Zum ersten Mal war sie stolz auf ihren kleinen Bruder, schüttelte aber kaum merklich den Kopf. Was brachte es schon, wenn er auch noch Prügel bekam?
    Sie konzentrierte sich auf die Gesichter, die sie anstarrten. In den meisten stand Schock oder gar Hass, der sicher nicht ihr galt. Joanne und Fernand dagegen blickten völlig unbeteiligt. Vielleicht war es für sie ganz normal? Wenn Alisa an die beiden grobschlächtigen Brüder dachte, die der Pariser Familie vorstanden, konnte sie sich das gut vorstellen. Nur in Anna Christinas Gesicht erkannte sie ein schadenfrohes Lächeln.
    Endlich hielt die Professorin inne und Alisa legte vorsichtig ihre geschundenen Hände in den Schoß. »Warum schreibst du nicht weiter?«, keifte Signora Letizia.
    Malcolm erhob sich von seinem Platz. »Verzeiht, Professoressa«, unterbrach er sie in seinem vornehmen, britischen Tonfall. Sie fuhr zu ihm herum. »Was gibt es, Bursche?«
    Auch er hatte vergeblich versucht mitzuschreiben und nach einer Weile aufgegeben. Sie stürmte zu ihm, ließ den Rohrstock auf sein Pult hinabsausen und stieß hervor: »Zähle mir die Kaiser auf. Wer war der erste? Los, das muss sofort kommen: Julius Caesar, dann Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius bis zum Jahr vierundfünfzig und dann?«
    »Signora, es ist nicht möglich, den Ausführungen in der von Euch dargebrachten Weise zu folgen. Wenn Ihr also bitte etwas langsamer fortfahren und vielleicht das Wichtigste wiederholen würdet?«
    Der Stock knallte ein weiteres Mal auf die Tischplatte. »Nero  natürlich. Nero, Vespasian, Titus, Domitian!« Sie drehte sich mit einem Ruck um und deutete mit der Spitze ihres Stocks auf Luciano. »Und weiter?!
    Der Junge sprang auf. Die Hände mit den abgekauten Nägeln nervös vor der Brust verschränkt, stotterte er: »Trajan, Hadrian, Antonius Pius und dann, und dann …« Er sah sich Hilfe suchend um, bis sein Blick auf Chiara fiel. »Mark Aurel«, fügte er schwach hinzu und ließ sich dann wieder auf seinen Stuhl fallen.
    »Das war nicht so schlecht, aber du hast Nerva vergessen, und Chiara bekommt drei Stockhiebe, wenn sie noch einmal vorsagt.« Luciano stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie sich wieder Malcolm zuwandte.
    »Es steht dir nicht zu, dich über unseren Unterricht zu äußern. Du hast nur auf unsere Fragen zu antworten, und wenn du das nicht kannst, wirst du den Rohrstock spüren. Ihr werdet es schon bald verinnerlicht haben, dass es für euch gesünder ist aufzupassen. Streck deine Hände aus!«
    Malcolm zögerte. Die Altehrwürdige reichte ihm gerade einmal bis zur Brust.
    »Streck die Hände aus!«, sagte die Professorin noch einmal und knurrte leise.
    Malcolm gehorchte. Er zuckte nicht und stöhnte auch nicht, als die Signora zuschlug. Vielleicht noch stärker als bei Alisa, deren Hände wie Feuer bannten und sicher noch eine ganze Weile keine Feder halten konnten.
    Schmerzte es ihn denn gar nicht? Seine Miene blieb unverändert, doch dann sah Alisa, wie seine Eckzähne sich ein Stück zwischen die aufeinandergepressten Lippen schoben, und sie konnte seinen aufwallenden Zorn spüren.
    Als die Signora endlich von ihm abließ, sagte er mit gelassen klingender Stimme: »Nach Mark Aurel folgte im Jahr einhundertachtzig Commodus und einhundertdreiundneunzig Septimius Severus.« Alisa konnte seine Selbstbeherrschung nur bewundern und freute sich über den verblüfften Ausdruck Signora Letizias.
    »Äh, ja, du kannst dich

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