Nosferas
die klare Nachtluft hinaustraten. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen empor, die zwischen den Spitzen der schlanken Zypressen herabfunkelten. Die junge Vampirin holte tief Luft. Wie köstlich das taufeuchte Gras roch und die harzige Rinde. Keine Stimmen, kein Wispern toter Seelen, die gegen sie kämpften, nur der Nachtwind und das Rascheln von Mäusen und anderen kleinen Tieren. Ein klägliches Fiepen durchbrach den Frieden. Nur Augenblicke später brachte der Kater Ottavio seinem Herrn die Beute. Dieses Mal ein junges Kaninchen.
»So, wenn auch Maurizio wieder bereit ist, dann können wir zum zweiten Teil unserer heutigen Übung kommen.« Die Signora warf ihrem Neffen einen angewiderten Blick zu, doch Maurizio ließ sich nicht stören. Er saugte das Tier aus und schob die Reste zwischen zwei Grasbüschel.
»Ihr werdet nun eine Spur verfolgen. Das ist nicht sehr schwer, wenn sie so frisch ist, aber freut euch nicht zu früh! Die starken Schwingungen in der Katakombe werden euch ablenken und euch die Konzentration zunehmend erschweren. Versucht, Orte und Gegenstände großer Macht frühzeitig zu erkennen und zu meiden. Sie zehren an euren Kräften.« Sie sah in die Runde. Einige der jungen Vampire nickten, andere warfen einander ein wenig furchtsame Blicke zu. Nur die Dracas trugen ihren üblichen Hochmut zur Schau, obwohl Ivy deutlich gespürt hatte, wie elend ihnen in der Katakombe zumute gewesen war.
»Wir werden von verschiedenen Eingängen aus starten und euch in unterschiedliche Stockwerke führen. Ihr geht zu zweit. Eure Aufgabe ist es nicht nur, der für euch gelegten Fährte zu folgen, sondern auch die drei Objekte zu finden und zu benennen, die die größte Gefahr für euch darstellen.«
»Oh nein«, stöhnte Luciano. »Darin war ich noch nie gut. Jedes Mal verliere ich die Spur bereits nach kurzer Zeit! Seymours Nase könnte ich jetzt gut gebrauchen, aber ich vermute, er wird hier oben bleiben müssen.«
Ivy schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie werden ihn nicht dazu bringen, von meiner Seite zu weichen.«
Luciano sah von Alisa zu Ivy, dann trat ein verschlagenes Grinsen in sein rundes Gesicht. Er stellte sich neben die Irin. »Wie wäre es, wenn wir uns zusammentun? Seymour wird den Weg für uns finden und so können wir uns auf die Gefahren konzentrieren und einen möglichst weiten Bogen um sie machen. Was meinst du?« Er strahlte sie hoffnungsfroh an.
Ivy lächelte sanft. »Wenn du es möchtest und die anderen keine Einwendungen haben.«
»Wer sollte denn Einwendungen haben?«, sagte Luciano und warf Alisa einen flehenden und Franz Leopold einen finsteren Blick zu. Alisa öffnete tonlos den Mund. Sie hatte nichts dagegen, dass sich Luciano Ivy anschloss, auch wenn es sie ein wenig kränkte, dass er das schöne irische Mädchen offensichtlich ihr vorzog. Bevor sie etwas erwidern konnte, trat Francesco zu ihnen.
»Seid ihr bereit? Komm Luciano, ich bin euer Fuchs, der die Fährte legt. Wir beginnen an einem anderen Zugang. Hier die Sanduhr. Wenn sie abgelaufen ist, dann könnt ihr die Verfolgung aufnehmen. Ob ihr mich wohl einholen könnt?«
Er führte Luciano und Ivy davon. Und ehe Alisa recht begriff, was geschah, waren nur noch sie und Franz Leopold übrig. Die beiden Vampire musterten einander schweigend. Alisa fühlte, wie Wut in ihr aufwallte, und sie hätte dem schönen Jungen am liebsten ins Gesicht geschlagen.
»Nun, dann wollen wir mal«, sagte sie betont heiter. »Ich denke, es ist für unser beider Gesundheit am besten, wenn du deine Äußerungen auf die Lösung unserer Aufgabe beschränkst und auf deine üblichen Bosheiten verzichtest.«
»Ja, sehen wir zu, dass wir es hinter uns bringen, bevor du deinem Drang, anderen Schaden zuzufügen, wie immer nicht widerstehen kannst.«
»Ich?«, rief Alisa empört. »Ich verteidige mich nur, wenn man mich angreift.«
Signore Enrica unterbrach den Streit. »Nun, seid ihr bereit? Dann folgt mir zur Treppe.«
Franz Leopold und Alisa warfen sich wütende Blicke zu, schritten aber hinter der Professorin her, bis sie auf dem ersten Absatz der Treppe anhielt. Sie gab Alisa eine Sanduhr. »Wartet, bis sie abgelaufen ist, dann kommt mir nach. Schärft eure Sinne und lasst euch nicht ablenken. Und hütet euch vor allem vor den mächtigen Artefakten, die in ihrer Form meist normalen Gegenständen wie Kreuzen, Ringen oder Platten mit Inschriften gleichen, in die jedoch starke Magie eingeschlossen ist. Gegen sie kann euch auch
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