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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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sie verbrennen kam wegen ihrer Vorstellung von der Auferstehung nicht infrage. Aber auch hier draußen waren die Grundstücke zu teuer für oberirdische Friedhöfe, und so kamen die Gemeinden auf die Idee, diese unterirdischen Labyrinthe anzulegen. Neu war der Einfall nicht, doch hier im Tuffgestein war es für sie möglich, diese riesigen Anlagen zu bauen, ohne fürchten zu müssen, dass sie über ihren Köpfen zusammenbrechen könnten. Der Stein aus verfestigter vulkanischer Asche lässt sich erst leicht bearbeiten und ist dann sehr haltbar.«
    Die Professorin ging weiter und bog dann nach rechts ab. Gräber über Gräber. Eines dicht am nächsten. Ivy legte die Hand in Seymours Nacken. Es war ein tröstliches Gefühl, obwohl die Stimmen der Toten jetzt noch deutlicher wurden. Doch sie ängstigten sie nicht. Es war eher eine tiefe Traurigkeit, die in ihr schwang. Sie sah zu Alisa, die neben ihr ging. Auch sie machte ein unglückliches Gesicht und presste die Lippen fest aufeinander.
    »Hörst du die Stimmen?«, fragte Ivy.
    »Stimmen? Nein, es ist ein Summen in der Luft, und ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr klar denken. Ein Schmerz ballt sich in mir zusammen und dehnt sich immer weiter aus. Vielleicht wird das doch kein so großes Vergnügen, wie wir gehofft haben.« Luciano neben ihnen nickte, machte allerdings nicht den Eindruck, als würde ihm die Katakombe ähnlich schwer zusetzen wie den anderen.
    Die Professorin bog noch einmal nach rechts ab und führte die jungen Vampire zu mehreren größeren Kammern. »Während in den Anfangsjahren alle Toten in einfachen Nischen bestattet  wurden, entstanden später für Privilegierte aufwändig ausgemalte Mensagräber und überwölbte Grüfte. Diese Grabkammern, die ihr hier seht, nennen sie Cubicula. Dort drüben sind neun römische Bischöfe bestattet. Geht hinein, soweit es euch möglich ist, und achtet auf euer Gefühl. Ihr müsst langsam an den Grabplatten vorbeischreiten. Wir treffen uns dann vorne in der ersten Sakramentskapelle wieder.«
    Seymour noch immer dicht an ihrer Seite, glitt Ivy vor Alisa an den Gräbern entlang. Manche waren leer, das konnte sie deutlich spüren, in anderen lagen noch immer die alten Knochen der ersten christlichen Jahrhunderte. Sie hätte erwartet, dass sich das unangenehme Gefühl in der Nähe der prächtigen Mensagräber verstärken würde, doch nichts geschah. Auch bei den meisten Bischöfen in ihren Nischen an der Wand spürte sie nichts. Erst als sie ans Kopfende der Kammer trat, fühlte sie einen Stich, der heiß durch ihren Leib zuckte. Sie beugte sich vor, um die Inschrift auf der Platte zu entziffern.
    »Es ist das Grab des Märtyrers Sixtus«, gab Professor Ruguccio Auskunft, der hinter sie getreten war. »Erstaunlich, nicht?« Alisa entschlüpfte ein Stöhnen und sie zog sich schnell wieder ein paar Schritte zurück.
    »Anscheinend war er wirklich ein heiliger Mann, was man nicht von vielen behaupten kann, denen dies nachgesagt wird. Dafür werdet ihr hier in den Gängen auf einfache Grabstätten in den Wänden stoßen, ohne Schmuck und ohne Namen, deren Aura selbst heute noch stärker ist als die des Märtyrers.«
    Alisa zupfte Ivy am Ärmel. »Komm, lass uns gehen.« Sie folgten Luciano zur üppig ausgemalten Sakramentskapelle. Professoressa Enrica erklärte die Bilder und Symbole, und noch einmal mussten die jungen Vampire üben, ihre Abwehrkräfte zu bündeln und sie den kirchlichen Mächten entgegenzuhalten.
    Ivy legte die Hand auf eine kleine Öllampe und berührte eine zerbrochene Skulptur. Sie fühlte den Widerstand, aber keinen Schmerz. Dann näherte sie ihre Fingerspitzen einer Marmorplatte mit einer Inschrift. Der Schmerz fuhr so unvermittelt ihren Arm hinauf, dass sie einen Schrei ausstieß und zurücktaumelte. Seymour heulte auf und sprang zurück.
    Alisa fing Ivy auf. »Alles in Ordnung?«
    Ivy keuchte und sah auf ihre Fingerspitzen hinab, die sich schwarz verfärbten. »Ja, ich denke schon. Damit habe ich nicht gerechnet! - Ruhig, Seymour, es ist mir nichts geschehen.«
    »Bemerkenswert, nicht wahr? Wer hätte das von dem kleinen Täfelchen gedacht.« In Professor Ruguccios Stimme klang Befriedigung mit. »Es stammt wohl von einer liebenden Ehefrau, die ihren Mann im Tod vor bösen Dämonen beschützen wollte.«
    Die Signora winkte sie in den Gang zurück und führte sie nach oben. Ivy fühlte Seymours Ungeduld und seine Erleichterung, als sie die letzten steilen Stufen hinter sich ließen und in

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