Nosferas
versuchen, der ungefähr in die Richtung verlief, aus der sie ein Stockwerk höher gekommen waren. Vielleicht brachte er sie zu der Treppe zurück, über die sie das Labyrinth betreten hatten. Rasch verließ er die Kapelle und eilte den Gang entlang. Das Gewicht in seinen Armen behinderte ihn kaum, und nun, da er nicht mehr auf die Spur der Professorin achten musste, konnte er sich ganz auf den Weg konzentrieren. Es fiel ihm nicht schwer abzuschätzen, in welche Himmelsrichtung er gerade ging, allerdings wusste er nicht genau, wie weit der Ausgang entfernt war. Außerdem bogen die Gänge immer wieder unvermittelt ab oder endeten plötzlich vor einer Wand. Ein paarmal musste er umkehren. Alisa regte sich in seinen Armen und stöhnte.
»Halt still«, fuhr er sie an, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn überhaupt hören konnte. Es schien ihm, als sei er bereits eine Ewigkeit unterwegs. Wenn er die Treppe nicht bald fand, dann würde er sich verdammt viel Zeit nehmen können! Denn dann mussten sie hier unten bleiben, bis die Sonne einmal über den Himmel gezogen war! Wieder gabelte sich der Weg. Franz Leopold hielt inne. Verwirrt blinzelte er. Sie mussten weiter nach Westen. Also rechts oder links? Er spürte, wie seine Gedanken durch sein Hirn krochen. Wo zum Teufel war Westen? Er war schon viel zu lange hier unten zwischen all den christlichen Knochen und Bildern. Selbst mit den beiden Amuletten schwanden seine Kräfte immer mehr. Noch einmal sah er in den linken und dann in den rechten Gang. Er musste sich endlich entscheiden. Gut, dann links.
Franz Leopold stolperte weiter. Noch zweimal musste er wählen. Immer wieder knickte der Gang ab. Er quälte sich an zwei offenen Grabkapellen vorbei. »Ich lasse mich nicht unterkriegen«, knurrte er vor sich hin, während sich seine Füße zentimeterweise an den Öffnungen vorbeischoben. Er würde hier unten nicht zusammenbrechen und sich dem Spott der anderen preisgeben, wenn die Professoren ihn aus diesen Gängen klauben und völlig entkräftet nach oben tragen mussten. Oh nein! Nicht er, Franz Leopold aus dem Hause der Dracas.
Er bog um die Ecke. Fast hätte er aufgeschluchzt, als er die Treppe entdeckte. Für einen Moment blieb er stehen, setzte eine starre Miene auf und begann dann, langsam die Stufen hochzusteigen. Nach dem zweiten Absatz erreichte er tatsächlich die Stelle, an der er und Alisa vor Stunden die Katakombe betreten hatten. Stolz wallte in ihm auf und ließ ihn die Schultern straffen. Er hatte gewonnen! Noch ein paar Stufen, dann waren sie draußen. Die letzten Meter kosteten ihn den Rest an Kraft. Franz Leopold ließ seine Last ins Gras gleiten und sog die frische Morgenluft ein. Mit jedem Atemzug wurde sein Kopf klarer.
Er sah sich um. Keiner war da, um sie zu begrüßen und ihn für seine heldenhafte Tat zu loben. Ärgerlich runzelte er die Stirn. Etwas weiter entfernt hinter einer Reihe von Zypressen konnte er Stimmen hören. Dann durchbrach ein Jaulen die verblassende Nacht. Ivys weißer Wolf rannte durch das Gras auf sie zu. Und dann liefen einige Gestalten durchs Gebüsch. Seymour erreichte sie als Erstes. Er beugte sich über Alisa und fuhr ihr mit der Zunge über die Wangen.
Franz Leopold verzog angewidert das Gesicht. »Lass das! Wenn sie nicht schon ohnmächtig wäre, würde sie es jetzt garantiert werden!«
Aber Alisa begann zu stöhnen und wälzte sich schwerfällig auf die Seite. Der Wolf bellte und überließ dann seinen Platz den besorgten Neuankömmlingen, die Alisa und Franz Leopold umringten. Es waren Ivy und Luciano, die sich nicht mit den anderen zur Domus Aurea hatten zurückschicken lassen, Signora Enrica und Signor Ruguccio und die beiden Servienten Hindrik und Matthias, Franz Leopolds Schatten, die ebenfalls darauf bestanden hatten, sich an der Suche nach den beiden zu beteiligen. Nun kniete Hindrik nieder und untersuchte Alisa, die langsam wieder zu sich kam.
»Was ist geschehen?«, fragte der Professor Franz Leopold.
»Und warum trägst du zwei Amulette und Alisa keines?«, verlangte Hindrik zu wissen.
»Ich verbitte mir diesen Tonfall von einem Unreinen«, entgegnete Franz Leopold und trat, die Arme vor der Brust verschränkt, zurück. »Das muss ich mir nicht gefallen lassen!«
»Die Frage ist durchaus berechtigt«, mischte sich Signora Enrica ein. »Erzähle uns rasch, was passiert ist. Und dann sollten wir aufbrechen.«
»Kann Alisa denn schon wieder gehen?«, fragte Luciano.
»Ich werde sie tragen«, sagte
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