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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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aufnehmen«, fügte Latona hinzu. »Das spricht doch auch dafür, dass er ein Mann der Kirche ist, nicht?«
    »Habe ich dir das erzählt?«, wunderte sich ihr Onkel. Das Mädchen nickte.
    »Ja, er hat keine sehr hohe Meinung von Frauen. Er sagt, der Verstand einer Frau leidet zu sehr unter dem Einfluss ihrer kaum zu kontrollierenden Gefühle. Zu kühlem, wissenschaftlichem Denken taugt sie nicht und ihre Handlungen werden nicht von Vernunft gesteuert.«
    Latona schnaubte abfällig. Ihr Onkel klopfte ihr mit einem milden Lächeln auf die Schultern. »Aber das sagt er natürlich nur, weil er dich und dein schlaues Köpfchen nicht kennt.«
    Latona ignorierte den gönnerhaften Ton und sagte stattdessen eifrig: »Ja, und deshalb musst du ihn davon überzeugen, dass es nur gut für den Zirkel ist, wenn er mich auch aufnimmt. Ich kann von großem Nutzen für ihn sein!«
    Carmelo machte eine abwehrende Handbewegung. »Kind, vergiss solche Hirngespinste.« Sein Blick verdüsterte sich wieder, als er über das Durcheinander im Zimmer wanderte. »Ich muss los. Ich werde vermutlich die ganze Nacht wegbleiben, also warte nicht auf mich. Bitte mach hier Ordnung und such weiter nach dieser vermaledeiten Maske!« Er nahm sein silbernes Schwert aus dem Versteck und schloss den Gurt um seine Hüfte.
    Latona sprang von ihrem Sessel hoch. »Haben wir einen neuen  Auftrag? Ein Mann oder eine Frau? Darf ich den Lockvogel spielen?«
    »Ja, ich habe einen neuen Auftrag, es ist ein junger Mann, und nein, du wirst nicht den Lockvogel spielen. Dafür gibt es Mädchen und Frauen, die ihr Geld auch sonst mit zweifelhaften Diensten verdienen.«
    Latona zog schmollend die Lippe hoch. »Aber ich war doch früher schon mit dabei, und ich könnte dir helfen, ohne dass du Geld bezahlen musst.«
    Seine Miene war hart. »Ja, das war ein Fehler, und es tut mir leid, dass du schon so viel Unmenschliches mit ansehen musstest. Das wird nicht mehr vorkommen.«
    »Wie wirst du vorgehen? Die althergebrachte Methode? Schwert und Pflock?«, sagte sie mit einem leichten Beben in der Stimme. Er nickte.
    »Kannst du ihn nicht in die alte Zisterne locken?«
    »Das ist viel grausamer«, sagte Carmelo sanft. »Sie verbrennen nicht einfach in einer Stichflamme, wenn das Sonnenlicht sie trifft. Sie vergehen über Stunden, bis sie endlich zu Asche zerfallen. Ein Stoß ins Herz und ein Schwertstreich, der ihnen den Kopf von den Schultern trennt, ist eine Gnade dagegen!«
    »Warum nur machst du das immer wieder?«, fragte sie leise.
    »Warum?« Carmelo lachte. »Weil Vampire böse, verfluchte Wesen sind, die in Gottes Schöpfung nicht vorgesehen waren.«
    »Ach was«, rief Latona ärgerlich. »Erzähle mir keine Märchen. Das ist dir doch völlig egal. Du tust es allein wegen des Geldes, das dir dieser Kardinal oder was auch immer er ist dafür bezahlt.«
    »Ja, des Geldes wegen. Er bezahlt gut für jeden Rubinanhänger, den ich ihm abliefere.« Ein seltsames Lächeln erhellte Carmelos Gesicht. »Und wegen des Kribbelns im Bauch, das ich habe, wenn ich in die Nacht hinausgehe und mein neues Opfer erwarte.« Er beugte sich herab und küsste ihre Wangen, dann eilte er davon.
    Latona wartete, bis sie seine Schritte auf der Treppe nicht mehr  hören konnte, dann riss sie ihren Mantel vom Haken und verließ ebenfalls das Haus. Sie lief über die Piazza Venezia am Kapitol vorbei zu dem Ruinenfeld. Wenn die Chance, die rote Maske wiederzufinden, auch noch so klein war, sie musste es wenigstens versuchen!
     

EINE SILBERNE HAARSTRÄHNE
     Malcolm verließ unbemerkt die Domus Aurea. Wieder einmal führten ihn seine Schritte über das Ruinenfeld und wandten sich dann zu zielstrebig einer bestimmten bröckelnden Mauer aus der Antike zu, als dass es Zufall hätte sein können. Seine Gedanken wanderten wie so oft zu dem seltsamen Mädchen und der rotsamtenen Maske, die er nun in seinem Sarg aufbewahrte. Malcolm setzte sich auf einen Marmorblock, lehnte sich mit dem Rücken an einen Säulenstumpf und sah zu den rasch dahinjagenden Wolken auf, die die Sterne und den halben Mond immer wieder verhüllten. Eine Passage aus einem Stück von Shakespeare kam ihm in den Sinn und er murmelte leise die Verse.
    Plötzlich hielt er inne und setzte sich kerzengerade hin. Da näherten sich Schritte. Es war kein nächtlicher Fußgänger, der eilig seinem Ziel entgegenstrebte. Auch nicht das torkelnde Schwanken eines Betrunkenen. Die Schritte waren langsam und bedächtig und hielten immer wieder

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