Notaufnahme
der Vorspeise – Cornwall-Krabben mit Limetten und Piment – lauschte ich einem Vortrag über das britische Verleumdungsgesetz unter Einbeziehung zahlreicher Beispiele aus der Praxis. Wähernd des zweiten Ganges – Blattsalate mit Trüffeln – wurde Windlethorne von der Dame zu seiner Linken, die ich dafür hätte küssen wollen, in Beschlag genommen, so dass ich die Gelegenheit hatte, mich mit Fairbanks bekannt zu machen.
Der Botschafter war charmant, attraktiv und witzig, und es gelang mir, Lord Windlethorne während der folgenden Gänge zu ignorieren und mich in das Gespräch mit Fairbanks zu vertiefen. Schon bald verlor ich den Überblick über die zahlreichen Gläser Rot- und Weißwein, die ich inzwischen intus hatte.
Als nach dem Dessert und dem anschließenden Champagner die mächtige Standuhr Mitternacht schlug, lud Bernhard die noch fitten Teilnehmer zu Zigarren und Portwein ein. Die meisten Europäer hatten für den folgenden Morgen Flüge zurück nach Hause gebucht und verabschiedeten sich, ebenso wie einige Ehefrauen, die Zigarrenrauch verabscheuten.
Auch ich hätte den Abend gern beendet, doch ich war viel zu neugierig, was zwischen Jennifer und Mike vor sich ging. Beim Verlassen des Speisesaals hing sie schon wieder an ihm wie eine Klette.
Ich stellte mich zu dem Botschafter und seiner Frau Shannon, und wenig später gesellten sich auch Mike und Jennifer zu uns. Chapman brachte mir ein Glas Potwein mit. »Das ist der beste Port, den ich jemals getrunken habe, Coop. Du musst ihn unbedingt versuchen.«
Nachdem wir uns auf dem bequemen Sofa in der Nähe des Kaminfeuers niedergelassen hatten, erschien Graham. »Entschuldigen Sie mich, Sir«, sagte er und beugte sich zu Chapman hinunter. »Ihre Mutter hat während des Dinners angerufen, aber gebeten, man möge Sie nicht stören. Sie sagte, sie riefe wegen der Informationen an, die Sie benötigten – Sie wüssten schon Bescheid. Mrs. Chapman lässt Ihnen ausrichten, dass der gefragte Bereich Geographie sei und dass ich Ihnen die folgende Antwort sagen solle.«
»Warten Sie ‘nen Moment, Graham.« Die Zigarre im Mundwinkel und reichlich angesäuselt, genoss Mike das Spiel und den Flirt mit Jennifer, und die Neugier, die Grahams kryptische Nachricht in ihr auslöste, brachte Mike noch mehr auf Touren.
Als er gerade beginnen wollte, ihr zu erklären, was »Jeopardy« war, griff sie begeistert nach seinen Händen und quietschte: »Ich weiß, was das ist. Ich sehe es jedes Mal , wenn ich in den Staaten bin.«
»Okay, zehn Mäuse, Herzogin. Sind Sie gut in Erdkunde?«
»Fünfzig Mäuse, Detective. Halten sie mit?« Dann erkundigte sie sich bei mir, ob ich ebenfalls einsteigen wolle.
Da ich meine Chancen zumindest etwas besser als in Sachen Bibel oder Physik einschätzte, zog ich mit.
»Also, spucken Sie’s aus, Graham.«
»Madam bat mich, Ihnen folgende Antwort mitzuteilen …« Er legte eine kurze Pause ein und warf einen verstohlenen Blick auf seinen Spickzettel. » Der früher unter dem Namen Mount McKinley bekannte, höchste nordamerikanische Berg ist heute unter seinem ursprünglichen, von den amerikanischen Ureinwohnern vergebenen Namen ›Great One‹ bekannt.«
Jennifer knuffte aufgeregt ins Sofapolster und rief: »Ich weiß es!«, während Graham sich bei Mike versicherte, ob er die seltsame Nachricht verstanden habe. »Wissen Sie’s auch?« flüsterte mir die Herzogin zu.
» Was ist der Mount Rainier?« bot ich müde lächelnd an.
Jennifer hatte unter ihrem Abendkleid die Knie angezogen und bedeutete mir mit einem Kopfschütteln, dass ich mich täuschte. Dann warf sie einen erwartungsvollen Blick in Mikes Richtung.
»Leider keine Ahnung, Mylady«, bemerkte er und erwiderte dabei ihr strahlendes Lächeln.
»Was ist der Denali? So heißt der Berg jetzt. Bernie hat im vergangenen Sommer für eine Umweltorganisation eine Gipfelexpedition finanziert. Ist das nicht toll?«
Wirklich toll, fand ich auch. Und noch toller fand ich es, dass Mike tatsächlich in seinen Hosentaschen nach dem Einsatz wühlte – in all den Jahren, die wir zusammen gespielt hatten, hatte er es nie annähernd so eilig gehabt. Die meisten Beträge landeten auf der imaginären Schuldenliste. Darauf brauchte ich noch einen Drink.
»Entschuldigen Sie, Graham, könnte ich noch einen Drink haben – vielleicht einen kleinen Port?«
Graham reichte mir das Glas, als Bernhard auf uns zukam, um seinen wertvollen Schatz wieder in Besitz zu nehmen und zu Bett zu bringen.
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