Notaufnahme
für unsere Studenten eine Vorlesung halten oder ab und an unserer kardiologischen Abteilung beratend zur Seite stehen könnte.«
»Nun«, antwortete ich und griff nach meiner Mappe, »wenn Sie ihm einen interessanten medizinischen Fall bieten können, setzt er sich ins nächste Flugzeug. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Mr. …«
» Meine Name ist Bill, Alex. Nennen Sie mich doch bitte Bill.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt den Raum verließen. Detective Chapman und ich haben zu tun.«
»Ich rechne fest damit, dass Sie mich auf dem laufenden halten, Alexandra. Sie wissen besser als jeder andere hier, wie es in einem großen Krankenhaus wie dem unserem zugeht. Es stehen zu viele Menschenleben auf dem Spiel, als dass ich aus den Elf-Uhr-Nachrichten gleichzeitig mit dem Rest von New York die neuesten Neuigkeiten erfahren dürfte.«
»Wir werden unser Bestes tun, Mr. Dietrich«, erwiderte ich, während ich mich abwandte und zurück in Petersons Büro ging.
Mike schloss die Tür; ich setzte mich, um einen Blick auf seine Notizen zu werfen. »Dietrich ist hier mit den beiden Knaben aufgetaucht – mit den beiden Zeugen, meine ich. Die beiden sind drüben, im Zimmer vis-à-vis. Losenti hat den Fehler gemacht, sie gemeinsam zu befragen. Ich habe sie getrennt, so dass wir nacheinander mit ihnen reden können.«
»Mit wem haben wir’s denn überhaupt zu tun?«
»Der Erste heißt John DuPre. Männlich, schwarz, zweiundvierzig Jahre. Verheiratet, zwei Kinder. Er ist Neurologe. Howard University, Tulane Medical School, stammt aus den Südstaaten. Hat vor zwei Jahren eine eigene Praxis in Manhattan eröffnet und unterhält seitdem Belegbetten im Mid-Manhattan. Der andere heißt Coleman Harper. Männlich, weiß, vierundvierzig. Geschieden, keine Kinder. Auch Neurologe. Vanderbilt und dann Medical School. Hat eine Weile praktiziert. Jetzt ist er als Fellow hier.«
»Was bedeutet das?«
»Das musst du ihn selbst fragen. So weit bin ich noch nicht vorgedrungen. Er ist einer von denen, die Spector – der Neurochirurg – aus den Zuhörern herausgepickt hat, damit sie ihm assistieren, nachdem Dr. Dogen nicht auftauchte.«
»Mit wem fangen wir an?«
»Ich hole zuerst DuPre.«
Kurz darauf kam Chapman mit Dr. John DuPre wieder. Ich erhob mich zur Begrüßung, und DuPre streckte mir die Hand entgegen. Er war acht Jahre älter und ein paar Zentimeter größer als ich, hatte kurz geschnittenes Haar, einen Oberlippenbart, eine Metallrandbrille und war gut durchtrainiert. Er trug ein sportliches Sakko, dunkelblaue Hosen und hatte einen ernsten Gesichtsausdruck, den man bei den meisten Zeugen antraf, die unvermutet in die Mühlen einer Mordfallermittlung gerieten.
»Sie hatten einen langen Tag, Dr. DuPre. Detective Chapman und ich möchten Ihnen trotzdem noch einige Fragen stellen. Können Sie uns bitte noch einmal Ihre Geschichte erzählen?«
»Gern. Ich hoffe, dass Sie damit etwas anfangen können. Es kommt mir so vor, als würde ich es schon zum tausendsten Mal erzählen. Also, ich kam am Nachmittag ins Krankenhaus. Meine Praxis, in der ich die meisten meiner Patienten behandle, befindet sich auf der Central Park West. Ich bin rüber zum Minuit gefahren, um in der Bibliothek etwas nachzuschlagen. Die Bibliothek liegt im sechsten Stock, wo Gemma Dogen ihr Büro hat … ähm … hatte. In der Bibliothek war viel los, wie meistens am späten Nachmittag. Ich wurde in ein Gespräch mit Kollegen verwickelt; es ging um einen medizinischen Fall, an dem Dr. Spector gerade arbeitet.«
»Bob Spector? Der Neurochirurg, dem Gemma Dogen an dem Morgen, an dem sie getötet wurde, assistieren sollte?«
»Genau. Spector betreibt wichtige Forschungen auf dem Gebiet der Huntington-Krankheit. Wissen Sie, worum es sich dabei handelt?«
Mit zur Seite geneigtem Kopf blickte uns DuPre an; in seiner Stimme schwang der Singsang der Südstaaten mit.
»Ich weiß nur, dass es eine Erbkrankheit ist, mehr leider nicht.«
»Das stimmt, Miss Cooper. Es handelt sich um eine Störung des zentralen Nervensystems, die sich durch zunehmenden geistigen Verfall und unkontrollierbare Körperbewegungen kennzeichnet. Spector widmet dieser Krankheit großes Interesse, und er ist auf diesem Gebiet eine Koryphäe, also …«
» Aber Gemma Dogen war doch seine Chefin, oder?« fragte Chapman.
»Ja, schon, doch Gerüchten zufolge wollte sie Ende dieses Universitätssemesters wieder zurück nach England gehen. Und deshalb haben es die meisten
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