Notbremse
doch die erhoffte Frau kam nicht. Häberle ging ein paar Schritte wieder ans Ufer, um den See weit nach links überblicken zu können, von wo die Skifahrer kamen, konnte die Blondine aber nirgends entdecken. Und obwohl er die Augen zusammenkniff, um genau sehen zu können, erspähte er auch an der Startrampe nichts auffallend Blondes.
»He, wo sind Sie denn?«, hörte er jetzt Markus’ Stimme näher kommen. Er schnappte sich die Wasserski und stakste dem jungen Mann entgegen.
»Nur langsam, ein alter Mann ist schließlich kein D-Zug. Ich hab mir die Kurventechnik der anderen angeschaut«, sagte er schmunzelnd. »Aber 40 Prozent der Strecke hab auch ich schon geschafft.«
»Super«, lobte Markus anerkennend. »Wenn Sie so weitermachen, schaffen Sie es noch zur Olympiade nach Peking.«
Häberle stutzte. Er versuchte diese Bemerkung irgendwie einzuordnen, doch als Markus grinste, hielt er sie für eine ironische Feststellung, weshalb er entgegnete:
»Dann, bitte, besorgen Sie mir auch das passende Dopingmittel.«
Markus verzog keine Miene, aber Häberle befürchtete, dass der junge Mann Späße dieser Art offenbar nicht liebte.
38
Linkohr war wieder zur Autobahn gefahren, nachdem Frau Schittenhelm keinen Kontakt zu ihrem Chef hatte herstellen können. Er versuchte, Häberle zu erreichen, doch blieb der Anruf unbeantwortet. Ganz außergewöhnlich, dachte der junge Kriminalist. Normalerweise trug der Chefermittler sein Handy immer mit sich herum. Aber vielleicht war er ja baden gegangen.
Nun drückte er auf den Kurzwahltasten die Nummer von Maggy und informierte sie über seine Erkenntnisse in Stephanskirchen und von dem angeblichen Anruf Hockes. Die Chefin teilte mit, dass die Durchsuchung bei Lamberts ›Aspromedic‹ abgeschlossen sei und man nun bei Rieders ›Donau Pharma AG‹ dasselbe tun werde. Inzwischen liege die Auswertung weiterer Telefonverbindungsdaten vor – und zwar auch von Rieders Firma und von dessen persönlichem Handy. Daraus ergebe sich, dass dieser Horschak auch noch Stunden nach dem ICE-Stopp Kontakt zu Rieder gehabt habe.
»Außerdem gibt es da noch ein ganz interessantes Gespräch«, stellte Maggy fest. »Dieser Rieder hat noch spätabends beim Ulmer Polizeirevier angerufen. Wir haben ermittelt, weshalb. Aus einer Tagebucheintragung geht hervor, dass er sich erkundigt hat, ob auf der Strecke von Ulm nach Kiefersfelden ein Unfall passiert ist.«
Linkohr überlegte, was dies bedeuten konnte. »Weiß man denn, um welches Fahrzeug er sich gesorgt hat?«
Maggy verneinte. »Sie denken an den Mercedes vom Irschenberg?«, erkannte sie gleich, worauf er hinauswollte.
»Ja, womöglich wollte er wissen, weshalb der Wagen nicht dort angekommen ist, wo er sollte – nämlich in Kiefersfelden. Und die Chauffeurin war Sylvia Ringeltaube, die es sich unterwegs anders überlegt hat.«
»So ähnlich hab ich auch schon gedacht. Horschak hat nach dem Mord an Hocke seine Waffe im Zug zurückgelassen und dann eine neue gebraucht, die ihm Frau Ringeltaube im Auftrag von Rieder hätte bringen sollen.«
»So könnte es gewesen sein«, gab Linkohr zurück. »Horschak ist jedenfalls Hals über Kopf aus dem Zug geflüchtet und hat sogar seinen Musterkoffer für Dopingsubstanzen zurückgelassen.«
»Ja, und irgendetwas ist dann schiefgelaufen«, stellte die Kriminalistin fest und Linkohr bekräftigte: »Irgendwer ist irgendwem in die Quere gekommen.«
Er kroch hinter einem desolat wirkenden Lkw aus der Ukraine her, während Maggy überlegte: »Wenn man das so sieht, dann konnte es doch nur einen einzigen Störer geben – nämlich Hocke, diesen Detektiv. Vielleicht ist er mehr Dingen auf die Spur gekommen, als seinen Auftraggebern lieb war.«
Linkohr schwieg. So hatte er das noch gar nicht gesehen.
In einer einzigen Sekunde spielte er die Alternativen durch, die sich daraus ergaben, und kombinierte: »Oder dieser Hocke hat noch an einem ganz anderen Auftrag rumlaboriert, dessen Tragweite ihm möglicherweise gar nicht bewusst war.«
»Sie vermuten, dass er für die Ermittlungsbehörden tätig war?«, wollte Maggy genauer wissen.
»Nun«, meinte Linkohr diplomatisch. »Es wäre nicht der erste Fall, bei dem private Ermittler eine dubiose Rolle gespielt haben.«
Maggy erwiderte nichts.
Kurz bevor er in der tiefer stehenden Sonne die Autobahnausfahrt Kiefersfelden erreichte, hatte Linkohr seinen Chef doch noch an die Strippe bekommen. Häberle hatte ihm schnell von seinen Erlebnissen als
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