Notbremse
trank sein Weizenbier leer. »Eine Blondine hat am Ulmer Fahrkartenschalter die Tickets für Horschaks Fahrt geholt. Bei allem, was wir wissen, kann das nur das schöne Ringeltäubchen sein. Sie hat gleich ein ganzes geschlossenes Erste-Klasse-Abteil aufgekauft, damit die beiden Herrn, die sich darin treffen sollten, ungestört sein konnten.«
Linkohr nahm, als das Bier serviert war, einen kräftigen Schluck. Doch da fiel ihm ein, dass er nicht so viel Alkohol trinken durfte, weil er im Gegensatz zu seinem Chef heute am späten Abend noch heimfahren musste.
»Wenn’s denn so wäre, dann wär’s doch für Ringeltäubchen ziemlich gefährlich, sich hier in dieser munteren Gesellschaft – sozusagen in der Höhle des Löwen – zu tummeln«, merkte Linkohr kritisch an.
Häberle strich sich übers Kinn. »Soweit wir wissen, hat sie ihr Kommen erst zugesagt, als klar war, dass Rieder nicht kommen würde. Er ist doch angeblich zur Tour de France.«
»Ja, und all die anderen hier? Der Berliner – und ›Pferdchen‹ und wie sie alle so heißen? Die können ihr nicht gefährlich werden?«
Häberle zuckte mit den Schultern. »Wir haben keine Erkenntnisse, dass es Verbindungen gibt.«
»Und unsere schöne Ärztin Gracia mit ihrem bulgarischen Ziehvater?«
»Um ehrlich zu sein«, räumte Häberle ein. »So ganz sicher bin ich mir bei diesen beiden nicht. Vielleicht wollen sie hier wirklich nur ein schönes Wochenende verbringen. Und wissen Sie …« Häberle fingerte an zwei Bierdeckeln herum. »Wenn man den Bogen noch weiter spannt, fällt mir unser Sunnyboy, der Apotheker, ein, der im Umgang mit chemischen Substanzen auch eine gewisse Fingerfertigkeit aufweisen kann.«
Linkohr nickte und musste unweigerlich an dessen schöne blonde Angestellte denken und dass ihm in den vergangenen zweieinhalb Tagen überhaupt keine Zeit geblieben war, sich mit dem weiblichen Geschlecht auseinanderzusetzen. Er hatte viel Nachholbedarf und würde nach Abschluss dieses Verfahrens, sofern dies tatsächlich bevorstand, wie er an Häberles lockerem Verhalten abzulesen glaubte, ein paar Tage freinehmen.
»Und was ist mit Frau Waldinger?«, wollte er wissen.
Häberle zuckte erneut mit den breiten Schultern. »Sie ist jedenfalls hier noch nicht aufgetaucht. Zumindest, soweit ich das überblicken kann. Aber nichts ist unmöglich, wenn es um viel Geld geht.«
»Um viel Geld? Wie kommen Sie denn darauf??«
»Aber bitte, Herr Kollege, worum denn sonst? Es geht um Geld und Einfluss und um Macht und wirtschaftlichen Erfolg. Zwei Pharmaunternehmen kämpfen gegeneinander. Und irgendwie, vergessen Sie das nicht, hat dieser ganze Fall einen Aspekt, der nach China reicht, genauer gesagt: nach Peking. Nicht nur beim Fußball, lieber Herr Linkohr«, meinte Häberle väterlich und musste an einen seiner vergangenen Fälle denken, »nicht nur beim Fußball zählen die Erfolge. Es gibt vielleicht Ereignisse, da hat ein Land sogar noch größeres Interesse, sich nach außen hin positiv zu präsentieren. Und dieses Interesse ist vielleicht umso größer, je weniger es bisher von der Völkergemeinschaft geschätzt wurde.«
39
Ziegler hatte für Freitagabend noch eine Pressekonferenz anberaumt. Die Durchsuchung der beiden Pharmakonzerne hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen und der Geislinger Lokaljournalist Georg Sander war ihm schon seit gestern auf der Pelle gelegen. Zwar war 20 Uhr für eine Pressekonferenz, dazu noch an einem Freitagabend, äußerst ungewöhnlich, das musste Ziegler eingestehen. Aber bei allem Verständnis für die Redaktionsschlusszeiten der Printmedien, hatte er keinen früheren Termin wählen können. Er wollte zuerst die Durchsuchungen abgeschlossen wissen. Als Veranstaltungsort wählte er den Saal im ersten Obergeschoss eines alten Nebengebäudes seiner Dienststelle in der Olgastraße, schräg gegenüber des Landgerichts. Hier, wo er alljährlich im Januar die Statistik seiner Behörde bekannt gab, hatten sich nur wenige Journalisten eingefunden, die zudem den Eindruck erweckten, möglichst schnell und prägnant informiert werden zu wollen, um dann wieder verschwinden zu können.
Ziegler und sein Stellvertreter hatten an einem quer gestellten weißen Tisch Platz genommen, während Manuela Maller und der Pressesprecher aus Göppingen jeweils links und rechts davon saßen. Ziegler begrüßte die Journalisten und bat um Verständnis für den ungewöhnlichen Termin.
»Aber nachdem wir mit Anrufen bombardiert worden
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