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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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wie in Trance, denn im Vorbeigehen an der Warteschlange stach ihm der Blondschopf wieder ins Auge und drei Personen weiter jener Kugelrunde, der heute auch schon mal seine Runden gedreht hatte. Im selben Moment wurde ihm dabei klar, um wen es sich dabei handelte. Natürlich – das war Probost. Clemens Probost, der Berliner, der auch im ICE gewesen war und der sich als einer der ersten Zeugen gemeldet hatte.
    »Haben Sie das verstanden?«, drehte sich plötzlich Markus zu ihm um, doch Häberle nickte nur abwesend und versuchte, sich zu überlegen, was das bedeutete. Noch bevor er richtig drüber nachdenken konnte, stand er wieder auf der Rampe, musste nach dem Zugseil greifen und wurde erneut jäh über die Wasseroberfläche beschleunigt. Er dehnte sich vorsichtig nach hinten, um die Skier in einem günstigen Winkel eintauchen zu lassen. Fast schon hatte er geglaubt, es zu schaffen – vorbei an der wartenden Menge, da geriet seine Beinstellung außer Kontrolle und er taumelte, klammerte sich aber noch an die Wasserskihantel, doch Sekunden später war ihm klar, dass er nicht mehr richtig auf die Beine kommen würde. Er ließ los, tauchte ins Wasser und sah, wie das wild zuckende Zugseil allein davonhüpfte. Um eine Erfahrung reicher, krabbelte er wieder an Land.
    »Sehr gut, sehr gut«, schallte es ihm von Markus entgegen. »Ganz gute Ansätze, Sie haben es gleich geschafft.«
    Häberle nahm wieder die Skier unter den Arm und folgte dem jungen Mann an den zunehmend amüsiert wirkenden Wassersportlern entlang. Als er auf Höhe des Pummeligen war, drehte sich dieser plötzlich um und sah ihn an. Offensichtlich hatte sich auch Probost an die kurze Begegnung von vorgestern bei der Zeugenvernehmung erinnert. Seine Verlegenheit dauerte nur eine Schrecksekunde lang.
    »Passen Se mal auf, dass Sie nicht ersauf’n«, sagte er spontan. »Nicht, dass es noch einen Toten gibt. Zwei reichen schon.«
    Häberle hatte seinen Schritt verlangsamt, dann aber die Bemerkung nur mit dem Heben seines rechten Augenlides quittiert. Er musste Markus folgen, der ihm bereits wieder den Weg zur Startrampe freigemacht hatte. Die Prozedur wiederholte sich zum dritten Mal. Häberle entsann sich der alten Sportlerregel, wonach zunächst alles im Kopf stattfinde, griff dann wild entschlossen nach dem nächsten freien Zugseil, verlagerte sein Gewicht leicht nach hinten und ließ sich beschleunigen. Diesmal fühlte er sich sicher und sauste mit triumphierendem Selbstwertgefühl an der Menschenschlange vorbei, ließ die Terrasse des Bistros hinter sich und verdrängte den Gedanken an Probost. Er musste sich auf die richtige Körperhaltung konzentrieren und grübelte darüber nach, wie er am See-Ende um die Linkskurve kommen würde, wenn das Seil über die Umlenkrolle lief. Er hatte heute Nachmittag mehrfach beobachtet, wie die Läufer dann ausholten, um das Seil stets straff zu halten – denn gerade darin bestand das ganze Geheimnis.
    Doch jetzt hatte er zum ersten Mal das Gefühl, richtig auf den Skiern zu stehen. Er spürte das schwerelose Gleiten über das Wasser, fühlte sich frei und genoss diese traumhaften Sekunden auf dem See. Sobald aber das Seil schlaff wurde und der Zug nachließ, versanken die Skier im Wasser, und er würde bei neuerlicher Beschleunigung absaufen oder wie ein nasser Sack über den See gezogen. Wie eine Leiche, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf.
    Zehn Sekunden später war ihm klar, dass es ihm nicht gelingen würde. Das kühle Wasser tat ihm gut, denn Sonne und Stress hatten seinen Körper aufgeheizt. Er löste die Skier, schwamm ans Ufer, griff sich die Grasnarbe und hievte sich ans Land. Unterdessen kamen zwei weitere Läuferinnen an ihm vorbei und riefen ihm etwas zu, was er nicht verstand. Es klang aber aufmunternd. Er setzte sich ins Gras und winkte ihnen zu. Sie schafften die drei Kurven an den Umlenkrollen zum gegenüberliegenden Ufer elegant und trieben wieder dem oberen See-Ende entgegen. Ein paar Zugseile weiter hing der Pummelige im Neoprenanzug an der Hantel und sauste wortlos vorbei. Häberle wollte gerade aufstehen, um Markus entgegenzugehen, der sich bereits auf die Suche nach ihm gemacht hatte, da fiel ihm ein, dass hinter dem Pummeligen in der Schlange eine Blondine gestanden hatte. Mit einem Schlag wurde ihm klar: Bei allem, was er bisher an Personenbeschreibungen aus den Akten kannte, konnte es sich tatsächlich um diese gesuchte Sylvia Ringeltaube handeln. Er wartete drei, vier, fünf Läufer ab,

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