Notbremse
herging, groß und mit dunklen Strähnen im blonden Haar, war dazu angetan, ihn vollends durcheinanderzubringen.
Eine Etage höher bat sie ihn in ein leeres Vorzimmer und von dort in das Allerheiligste, wie Linkohr stets die meist weitaus überzogenen Residenzen solcher Firmenhalbgötter bezeichnete. Vor ihm stand ein Mann im dunklen Nadelstreifenanzug, leicht blass und übernächtigt, aber mit angedeutetem Lächeln.
»Rieder ist mein Name«, stellte er sich vor und gab Linkohr die kalte Hand. »Sie haben um einen Termin gebeten. Bitte sehr.« Er bot Linkohr einen Platz am ovalen Besuchertisch an, während die Frau dezent hinter sich die schallisolierte Tür schloss.
»Kaffee?«, fragte Rieder, doch Linkohr lehnte dankend ab.
»Ich will Sie nicht länger als nötig aufhalten«, sagte der Kriminalist und legte die Hände auf den blitzblanken Tisch.
»Man hat mir ausgerichtet, es gehe um den bedauerlichen Tod unseres Aushilfsfahrers Bastian Plaschke. Ich weiß zwar nicht, wie ich Ihnen da helfen soll – aber bitte, schießen Sie los.« Das klang nach Befehl. Linkohr kannte diese Typen. Oft genug schon war er mit Häberle in den Chefetagen von renommierten Unternehmen gewesen. Anfangs noch hatte er regelmäßig ein mulmiges Gefühl gehabt, doch inzwischen war sein Selbstbewusstsein gewachsen. Er wusste mittlerweile, was meist kommen würde: die Drohung, sich an höherer Stelle zu beschweren, angebliche Beziehungen spielen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Ermittlungen eingestellt würden. Schließlich hatte man in gewissen Kreisen genügend Freunde und Bekannte, um etwas glatt bügeln zu können. Notfalls auch im Justizministerium. Linkohr war auf solche Attacken gefasst.
»Wir haben Herrn Plaschke vergangene Nacht tot aufgefunden. Erschossen. Und weil er wohl öfters mit einem Lieferwagen Ihres Unternehmens gesehen wurde, gehen wir davon aus, dass er für Sie gearbeitet hat.«
»Ich sollte vielleicht klarstellen«, begann Rieder leise, aber bestimmt, »es bestand mit Herrn Plaschke kein Arbeitsverhältnis. Er hat für uns gelegentlich ein paar Fahrten im Nahbereich gemacht und dafür haben wir ihm …« Rieder überlegte kurz, »… ja, eine Art Trinkgeld gegeben.«
»Eine Art Trinkgeld«, wiederholte Linkohr und beruhigte: »Es geht uns in diesem Fall nicht um die Entlohnung. Darum werden sich gegebenenfalls andere kümmern.« Der Jungkriminalist nickte seinem Gegenüber aufmunternd zu. »Wir wissen, dass Herr Plaschke ein Langzeitarbeitsloser war, Hartz IV sagt man heutzutage. Seit wann war er denn für Sie tätig?«
»Tätig in dem Sinne nicht«, wiegelte Rieder erneut ab. »Wir haben ihn angerufen, wenn wir ihn gebraucht haben.«
Linkohr entschied sich, deutlicher zu werden: »Herr Rieder, bitte, es geht mir nicht um Schwarzarbeit oder Sozialbetrug – hier geht es um viel mehr. Um Mord. Und deshalb sollten wir offen miteinander umgehen.«
»Was soll ich mit Ihrem Mord zu tun haben?«, zischte Rieder jetzt ungehalten. »Wenn Sie mich auch nur in die Nähe eines solchen Verbrechens bringen, verlange ich, einen Anwalt konsultieren zu dürfen.«
»Das Recht haben Sie jederzeit. Es würde uns aber wertvolle Zeit kosten. Und ich denke, auch Sie sind daran interessiert, dass es gleich gar nicht zu irgendwelchen Gerüchten im Zusammenhang mit Ihrer Firma kommt.«
»Das will ich aber auch hoffen«, gab Rieder zurück. »Da könnten Schadensersatzforderungen in zweifacher Millionenhöhe im Raum stehen.«
Linkohr nickte verständnisvoll. »Deshalb meine herzliche Bitte, uns zu helfen. Wir sollten wissen, seit wann Herr Plaschke bei Ihnen ausgeholfen hat.«
»Seit einem halben Jahr ungefähr, ja, es muss im Dezember gewesen sein. Wir hatten krankheitsbedingte Ausfälle, dann kamen die Weihnachtsferien – ja, und da sind wir auf Herrn Plaschke aufmerksam geworden.« Rieder nestelte an seinem Krawattenknoten, als sei er ihm zu eng.
»Und wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworden?«
»Er hat wohl eines Tages hier angerufen und einfach gefragt, ob’s einen Job als Aushilfsfahrer gäbe.«
»Einfach so?«
»Ja, das kommt oft vor, sagt mir mein Personalmanagement.«
»Haben Sie ihn denn mal persönlich kennengelernt?«
»Nein.« Er lächelte gequält. »Ich kann mich nicht auch noch um den letzten Hofkehrer kümmern.«
Klar, dachte Linkohr. Das wäre auch unter der Würde eines solchen Managers gewesen. Irgendwie kam ihm plötzlich jener beliebte und erfolgreiche Geschäftsmann in den Sinn, dessen Rat
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