Notizen aus Homs (German Edition)
desertierten, kehrten sie nach Hause zurück und übernahmen das Kommando über die Soldaten ihres Dorfes oder Viertels, wie Hassan in Haqura, der die Truppen des Viertels befehligt, in dem er lebt. Wie mir ein Gesprächspartner ein paar Tage später erklären wird, zeugt die Einladung an Omar Schamsi, von Telbisa nach Khaldije zu kommen, von einem Fortschritt in Hinblick auf die Professionalisierung der FSA .
Bilal: Das Opfer dieses Nachmittags wird gelähmt bleiben. Er ging über die Straße zwischen Qussur und Khaldije und bekam eine Kugel ab. Einziges Opfer an diesem Ort, der Scharfschütze hat einfach so geschossen.
Seit dem Zwischenfall mit Bilal nehmen sie, wenn sie einen Verletzten außerhalb von Khaldije abholen wollen, ein Auto der FSA mit einer Eskorte von fünf Männern.
Gestern gab es fünf Tote in Homs.
Mittwoch, 25. Januar
Bajada – Safsafi – Bab Sbaa – Safsafi
Spätes Aufwachen, 11 Uhr. Immer noch fiebrig. Wir machen uns schnell fertig. Raed fragt Bilal nach den 23 Toten von gestern – »Schon beerdigt«. Das erscheint uns absurd.
Fahrt im Taxi mit Abu Adnan, einem Aktivistenfreund von Raed. Wir fahren zu einer Beerdigung nach Safsafi, am Rand des alawitischen Viertels. Fahrt durch das Zentrum und die Altstadt. Große Moschee Khaled ibn Walid, irreal im Nebel, mitten in einem Park. Gebäude der Sicherheit. Dann der Suk, dicht, eng, belebt, ein Labyrinth von kleinen Ständen. Hier sind Männer der FSA, aber versteckt. Ein Scharfschütze der Armee auf einem Gebäude gegenüber. Zu normalen Zeiten schießt er nicht. Aber wenn es einen Zusammenstoß gibt, schießt er, damit die Leute fliehen. Vor drei Tagen gab es ein Gefecht. Die Sicherheitskräfte sind gleich rechts, 100 Meter weiter. Wir biegen nach links, tiefer in den Suk hinein. Verstopftes Labyrinth, Berge von Müll versperren die Straßen. Die Leute versuchen, einen Teil davon selbst wegzubringen, aber sie kommen nicht hinterher. Hinter den Ständen, etwas weiter, ein FSA-Posten. Eingerahmte Kalligraphie auf den Sandsäcken: »Die Freiheit ist ein Baum, der mit Blut gegossen wird.« Wir kommen an einem Haus am Ende einer Allee an, einem altmodischen Haus mit einem schönen gepflasterten Innenhof, wo wir alte Freunde von Raed treffen. Natürlich sind wir zu spät für die Beerdigung. Wir unterhalten uns im Hof. Ein Typ holt für mich einen Sack voller verschiedener Granatenreste, die auf das Viertel gefallen sind. Über dem Hof ist der Himmel grau, strähnig. Alles ist feucht.
Diskussion über die Toten und die Blitzbeerdigungen. Abu Bilal [ ein Aktivist aus Safsafi, nicht zu verwechseln mit Bilal ] erklärt, dass die Beerdigungen nicht mehr wie früher sind, dass sie nicht mehr Ausgangspunkte für Demonstrationen sind: Der Friedhof liegt offen da, und die Scharfschützen auf der Zitadelle von Homs schießen, wenn sich eine Menge versammelt. Deshalb beerdigen sie in kleinen Gruppen, schnell.
Dadurch ist alles sehr schwer zu überprüfen. Was den Unterschied zwischen den Zahlen des Syrischen Observatoriums für Menschenrechte und denen, die man hier hört, erklärt, denn das Observatorium veröffentlicht nur bestätigte Zahlen. Für gestern spricht das Observatorium von einem Toten in Homs. Aber unsere Freunde beteuern, dass es in Bab Tadmor Dutzende gegeben hat. Ein Gebäude, das bombardiert wurde, sei eingestürzt, und es werden immer noch Leichen aus den Trümmern geborgen; ein anderes, dafür bekannt, dass es Aktivisten beherbergt, habe eine Paketbombe erhalten. Wir werden uns das anschauen.
Ein Aktivist: »Ihr seid hoffentlich nicht vom Figaro , oder? Der Figaro ist wirklich korrupt.« Schon okay, wir sind von Le Monde .
Diese Bemerkung ist eine direkte Anspielung auf einen Artikel von Georges Malbrunot im Figaro vom 20. Januar 2012 , der der FSA die Schuld an Gilles Jacquiers Tod gibt und sich dabei auf eine anonyme Quelle in Paris beruft, die wiederum eine anonyme Quelle in Homs zitiert. Die Redaktionsleitung von Le Monde bat Georges Malbrunot, den Namen seiner Quelle preiszugeben, damit Raed und ich vor Ort direkt mit ihr sprechen können; Georges Malbrunot lehnte mit Hinweis auf die Sicherheit seiner Quelle ab. Ein detaillierter Artikel in Le Monde vom 23. Januar 2012 ordnet die vom Figaro veröffentlichte Information unter all den Hinweisen ein, die zu jenem Zeitpunkt verfügbar waren und die insgesamt stark dazu tendieren, die Verantwortung des Regimes für den Tod des französischen
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