Notizen aus Homs (German Edition)
Journalisten und der acht Syrer, die mit ihm getötet wurden, in Zweifel zu ziehen.
Das Haus steht in einer Gasse, die von zwei Straßensperren der FSA verteidigt wird, eine auf jeder Seite. Raed geht eine der beiden fotografieren, und das löst einen neuen endlosen Wortwechsel mit den Soldaten aus, die nicht einverstanden sind.
Ein anderer Aktivist ruft dort an und beklagt sich über die Art, mit der Raed von dem Soldaten behandelt wird. »Wir bringen euch einen befreundeten Journalisten, und ihr benehmt euch nicht.«
Zurück zur Straßensperre. Alles ist geregelt. Straßensperre der schabbiha gleich etwas weiter links.
*
Wir fahren wieder mit dem Taxi, nach Bab Sbaa. Abu Bilal ist bei uns und auch Omar Telawi, ein Aktivist, der bekannt ist für seine Videobotschaften, er war auch schon im Fernsehen, auf Aljazeera und France 24.
Ihnen zufolge sind wir die ersten ausländischen Journalisten, die hierherkommen. An einer Straßenecke ein völlig zerstörtes Geschäft, von Tausenden Kugeln durchlöchert. Auf der Mauer daneben ein grünes Graffito, »Achtung Scharfschütze«. Schabbiha -Straßensperre in der Sichtachse, 100 Meter entfernt, sie schießen die ganze Zeit; ein provisorischer Sandhaufen versperrt den Zugang zur Straße, um die vorbeikommenden Menschen und Autos ein wenig abzuschirmen.
Auf der Hauptstraße etwas weiter Soldaten der FSA.
Besuch auf dem Friedhof, wunderschön mit seinen alten Grabsteinen im Gras und dem Nebel im Hintergrund. Die Zitadelle und ihre Scharfschützen sind genau dahinter, 200 Meter entfernt, unsichtbar im Nebel. Aber sie können uns offenbar sehen, wir müssen ganz unauffällig sein und sehr auf Löcher achten. Von Maschinengewehrfeuer gezeichnete Häuser, mit Spuren von RPG-Einschlägen. Auf einer Seite des Friedhofs ein großes Loch in der Mauer, kürzlich geschlagen, um einen Zugang zu einem Teil zu schaffen, der von den Schüssen nicht erreicht werden kann, für die Beerdigungen.
Rückkehr zur Hauptstraße. An einem FSA-Checkpoint zeigt uns ein Soldat, der sich Abu Ahmad nennt (aus Nasihin, einem Viertel von Homs), seinen Armeeausweis: »Wir wurden in die Straßen geschickt, damit wir dort bewaffnete Gangs bekämpfen. Ich habe keine einzige bewaffnete Gang gesehen. Sie haben uns gesagt: Die Munition ist egal, schießt, schießt, soviel ihr könnt.« Deshalb ist er desertiert. »Sie haben uns Gewehrgranaten gegeben und gesagt: Schießt! Am 1. Juni haben sie mich nach Rastan gebracht. Es gab dort überhaupt keinen militärischen Widerstand, niemand schoss, es gab nur friedliche Demonstranten. Die Armee hat angefangen, mitSchilka 46 , BMPs und Gewehrgranaten zu schießen. Ich habe nicht geschossen. Ich habe mir ins Bein geschossen.« Er zeigt uns die Narbe. »Wir sind acht Tage in Rastan geblieben. Dann sind wir nach Waar gefahren. Die Kugel habe ich mir am 26. September ins Bein geschossen, als man uns nach Rastan zurückschicken wollte, ein zweites Mal.« Beteuert, dass er niemals in die Menge geschossen hat, dass er sich versteckt hat. Das erscheint wenig glaubhaft, wenn man bedenkt, dass er vier Monate im Einsatz war.
Dieses Viertel ist gemischt, auch christlich. »Die Christen sind unsere Brüder.« 100 Meter weiter Nescha, ein alawitisches Viertel. Dort befinden sich die schabbiha -Straßensperren.
Bilal Z., Soldat der Spezialkräfte. Jung, fast bartlos, nur ein undeutlicher Schnurrbart. Nach Homs geschickt zur Repression: »Ich habe nicht auf die Menschen geschossen, ich habe in die Luft geschossen.« Er hat einen Soldaten gesehen, der sich weigerte, auf die Menschen zu schießen, und sagte: »Es sind nur Zivilisten.« Man hat ihm eine Kugel ins Bein gejagt, aber man hat ihn nicht getötet.
Eine Frau mit Niqab: »In dieser Straße gibt es in jedem Haus einen Märtyrer. Das geht jetzt seit fast einem Jahr so. Wann wird es aufhören? Man ist auf der Straße nicht mehr sicher.« Schrille Stimme, klagend. Gut angezogen, Markenmantel, aber man sieht nur ihre Augen: »Wir sind arbeitende Leute, aber wir können uns nicht einmal mehr ernähren. Es ist so weit gekommen, dass wir auf Spenden angewiesen sind. Geben Sie unsere Stimme nach draußen weiter!«
In einer Straße vor einem privaten Krankenhaus warten Leute, um Heizöl zu kaufen, Dutzende Kanister sind auf dem Boden aufgereiht.
Besuch des privaten Krankenhauses von Bab Sbaa. In der 4. Etage Einschusslöcher von Kugeln in den Türen und Fenstern, abgefeuert von der
Weitere Kostenlose Bücher