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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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wusstest tatsächlich vorher von Jens' Plan?«
    »Jede Einzelheit!«
    »Und was hast du dagegen unternommen?«
    »Nichts.«
    »Nichts?!«
    »Wie gesagt, es war seine Entscheidung und sie war ja auch nicht schlecht. Für ihn war sie das Stillen seiner Schmerzen.«
    »Du fandest sie nicht schlecht ?!«
    »Jeder Mensch sollte frei über sein Leben oder Sterben bestimmen können. Für uns ist das ein Grundrecht, das jedem Menschen zusteht. Findest du das nicht?«
    War das die Philosophie, die ich mit ihm teilen sollte?
    »Von welchen Schmerzen sollte er denn befreit werden?«
    Alexander stellte das leere Glas ab, beugte sich so weit es ging vom Sessel aus zu mir herüber und raunte so, dass es die anderen Drei auf dem Sofa nicht mitbekamen: »Du hast ihn verlassen, schon vergessen?«
    Ich sah ihn an und dachte, mir würde das Herz platzen. Wie konnte er mir das so ins Gesicht sagen? Wie konnte er hier mit mir sitzen, mir diese Schuld aufbürden und gleichzeitig lächeln, als fände er nichts dabei?
    Erschüttert wollte ich aufstehen. Auf einmal aber sprang er von seinem Platz auf und platzierte sich vor meinem Sessel, sodass ich nicht weglaufen konnte.
    »Hey, Sarah!«
    Er fasste an mein Kinn, sanft zunächst, aber bestimmt. Ich wollte das nicht und stieß seine Hand weg, doch er fasste energischer nach.
    »Ich mache dir keine Vorwürfe. Ich erzähle dir nur das, was Jens mir gesagt hat. Du hast ihn verlassen und du fühlst dich jetzt schuldig. Das ist in Ordnung. Schlimm wäre es, wenn du dich nicht schuldig fühlen würdest. Du hast immerhin ein Gewissen ihm gegenüber.«
    Das war nicht die angenehme Stimme, die ich so an Alexander schätzte. Sie klang vollkommen anders, unbeherrscht und aggressiv und ich erschrak vor seinem immer fester werdenden Griff, der mir seine Finger von außen gegen das Zahnfleisch quetschte. Doch es dauerte nur einige Sekunden, dann ließ er mich ebenso plötzlich los, ging vor dem Sessel in die Hocke und sah von unten zu mir hoch. Mit dem Handrücken wischte er die Nässe von meinen Wangen und sprach wieder in unschuldigster Tonlage.
    »Alles gut?«
    Alles gut? Nichts war gut!
    »Ich will nach Hause«, stammelte ich, tränenerstickt.
    »Okay, geh ruhig, wenn es dir zu viel wird. Du weißt ja, wo ich zu finden bin. Ich warte auf dich, Sarah. Du musst dich damit auseinandersetzen und das kannst du am besten hier bei uns. Es geht nicht einfach so an dir vorbei.«
    Alexander stand auf und machte mir bereitwillig den Weg frei, als ich aufsprang und in Richtung Bar lief, um Marc umgehend mitzunehmen. Er blickte mir hinterher, ich sah es im Augenwinkel, doch ich wollte diesen Alexander, den ich heute kennengelernt hatte, nicht noch einmal ansehen. Es war ganz genauso wie früher.
    »Diesmal musst du fahren«, sagte ich und warf Marc den Autoschlüssel seines Wagens zu.
    »Aber …«
    »Ich kann jetzt nicht, Marc! Fahr einfach!«
    Mit diesen Worten setzte ich mich auf die Beifahrerseite und wartete stur, bis Marc Minuten später endlich einstieg. Wortlos drehte er den Zündschlüssel und der Wagen ruckte, als er losfuhr. Schweigend saßen wir nebeneinander, während er fuhr, jeder mit sich selbst und eigenen Bildern von diesem Abend beschäftigt, bis Marc leise und fast schon monoton vor sich hinmurmelte.
    »An manchen Tagen sitze ich einfach nur da.«
    »Was?«
    »An manchen Tagen sitze ich einfach nur so da, am Küchentisch. Meistens mit einer Tasse Kaffee, die ich mir aus Gewohnheit oder aus Langeweile mache. Und dann starre ich in die Luft.«
    Marc starrte genauso durch die Frontscheibe, dass ich es mir lebhaft vorstellen konnte.
    »Ich merke es, während ich starre«, fuhr er fort. »Ich empfinde mein Nur-da-sitzen ohne Bewegung und Verstand ganz genau, doch mein Hirn kann meinem Körper keine weitere Anregung zu einer Handlung geben. Im Starren finde ich Leere – Nichts. Und im Nichts ist kein Gefühl. Ich mag diese Gefühllosigkeit, obwohl ich manchmal glaube, diese Stunden vernichten unwiderruflich Tausende meiner Gehirnzellen.«
    Mir stockte der Atem. Seit unserem Treffen am Friedhof hatte er nicht mehr so viele Wörter an einem Stück mit mir gesprochen.
    »Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
    Er blickte weiterhin über sein Lenkrad.
    »Sie sagen, wenn ich mich umbringen wollte, würden sie das verstehen.«
    Ich hob meinen Kopf höher.
    »Willst du dich denn umbringen?«
    »Wäre doch möglich.«
    »Und wolltest du dich auch schon umbringen, bevor wir dorthin gingen?«
    »Ich habe

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