Notizen einer Verlorenen
aufflackerten.
»Mathilde und ich wissen genau, was wir wollen und was Sie hier machen. Denken Sie, in unserem Alter wüsste man nicht, was man sagt und macht Spaß mit dem Tod? Es ist uns bitterernst. Entweder Sie helfen uns oder wir müssen uns woanders Hilfe holen.«
Alle waren auf einmal sehr betroffen. Buchheim nickte uns ernst zu und wir verstanden auch ohne Worte, dass wir uns zurückzuziehen hatten. Er und Franziska sprachen nun alleine mit den beiden.
Noch am selben Abend beriet die Gemeinschaft über Leos und Mathildes Schicksal. Ihre Beweggründe waren klar, ihr Wunsch war eindeutig und sogar ich konnte innerlich Verständnis für ihre Todessehnsucht aufbringen.
Ihre Angst, nach so vielen Jahren getrennt zu werden, konnte ich vollkommen nachvollziehen. Zu all dem meinte ich herauszuhören, dass Buchheim sich sorgte, sie könnten vor Frust anderen von unserer Gemeinschaft berichten, wenn sie nicht ihren Willen bekämen. Nicht klar war, wie es geschehen sollte, da sie selbst keinen Plan mehr zustande brachten. Vor allem war es schwierig, die beiden so zu unterstützen, dass sie ihren Tod letztendlich alleine herbeiführen konnten. Mit allen Ideen bewegten wir uns unvermeidbar am Rande des Mordes.
Schließlich schlugen wir den beiden eine Kohlenmonoxidvergiftung vor, nachdem sie uns erzählt hatten, sie schliefen immer noch ab und zu in einem Wohnwagen. Die dortige Gasheizung, Marke Eigenbau von Leo aus früheren Tagen, machte jedes Mal beide aufgrund ihrer »Wärme« so angenehm müde. Alexander vermutete deswegen, dass diese Heizung undicht war und so permanent zu Sauerstoffmangel führte. Als Mathilde das hörte, regte sie sich auf und beschimpfte Leo.
»Da hätten wir beide ja schon lange tot sein können!«
Wie vorauszusehen, kamen Mathilde und Leo nur mit einiger Mühe aus den tiefen Sesseln heraus. Buchheim versprach, sich sehr bald bei ihnen zu melden und sie versprachen ihrerseits, niemandem ein Sterbenswörtchen zu sagen.
»Ich bin dafür, diese Geschichte sehr schnell über die Bühne zu bringen«, sagte Buchheim besorgt, als sie schon fort waren. »Sie wissen einfach zu viel. Wir können nicht sicher sein, wie lange die beiden alles für sich behalten werden. Ich habe mir ihre Adresse geben lassen. Der besagte Wohnwagen steht in ihrem eigenen Garten hinter dem Haus. Jemand von uns muss dorthin fahren und diese Gasheizung überprüfen.«
Er sah in die Runde und blieb an Marc hängen. »Ein bisschen technisches Verständnis ist schon notwendig, um zu sehen, wie es mit der Heizung bestellt ist.«
Marc blickte interessiert auf. »Die Frage ist, ob so ein Wohnwagen abgedichtet genug ist, um eine tödliche Dosis Kohlenmonoxidvergiftung herbeizuführen.«
»Dann muss man dafür sorgen, dass es so ist!«
Buchheim blinzelte ihm zu und nahm dann zu meinem Schrecken auch mich ins Visier. »Leo und Mathilde wohnen in Burgaltendorf. Im Grunde eine schöne Gelegenheit für Sie und Marc, sich unser Vertrauen zu verdienen.«
»Ich soll was?« Mein Herzschlag verdoppelte sich.
»Keine Panik, meine liebe Sarah, das Technische daran kann Ihnen Marc sicher erklären und gegebenenfalls auch abnehmen« Buchheim kniff kritisch die Augen zusammen. »Es ist nicht viel zu tun dafür: ein bisschen was abdichten, ein kleines Loch im ohnehin schon maroden Abgassystem … Marc sollte doch nicht alleine für den Ablauf der Aktion verantwortlich sein, nicht wahr? … Sind Sie etwa nicht bereit, für den Schutz unserer Gemeinschaft diese kleine Handreichung zu erbringen? Ich muss sagen, dass mich das schon sehr erstaunen würde.«
Bei seinen Worten beäugten mich die Übrigen fragend und an einigen Augenpaaren erkannte ich, dass sie mich misstrauisch musterten. Als ich dann auch noch Alexanders gerunzelte Stirn bemerkte, versuchte ich mich halbherzig zu verteidigen: »Besagen die Regeln nicht, dass die anderen Vereinsmitglieder nicht mit Hand anlegen sollen?«
»Aber Sarah! Die beiden alten Leute sind nicht mehr in der Lage, selbst tätig zu werden. Sie haben es doch gehört! Abgesehen davon gehören sie unserem Verein nicht an. Sie würden den beiden Alten doch ganz sicher bei allen anderen Tätigkeiten auch gerne helfen, wenn sie darum bäten, oder?«
Ich sah Marc an, der mir gegenübersaß, und fand seinen Gesichtsausdruck ein wenig verunsichert, doch auf einen Blick von Buchheim hin nickte er mir aufmunternd zu. »Komm schon – die beiden wollen es ja so und gerade eben waren wir uns alle noch einig
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