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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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darüber, dass sie ein Anrecht auf ihren selbst gewählten gemeinsamen Tod haben.«
    Stockend stieß ich meine tief eingeatmete Luft aus und zögerte mit meiner Antwort. Alex legte seinen Arm um meinen Hals und lächelte Buchheim zufrieden an, als hätte ich bereits zugesagt. »Warum sollte sie uns den kleinen Gefallen nicht tun? Natürlich wird sie mithelfen.« Er blickte mir fürsorglich in die Augen. »Möchtest du, dass ich euch begleite?«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. »Nein«, sagte ich leise. »Lass mal.«

    Als Marc mich zwei Wochen später tatsächlich abholte, war mir gar nicht gut. Er trug einen Rucksack mit sich und wartete vor der Tür. Stumm schritten wir die Treppe im Hausflur herunter und schlugen den Weg zu Fuß in Richtung Felder ein. Es war kalt und es fiel niemandem auf, wenn wir unsere Mützen tief ins Gesicht zogen. Leo und Mathilde wohnten in meinem Stadtteil. Ihr altes Haus stand auf einem weit abgelegenen Grundstück mit einem ausgedehnten Garten. Vor dem Zaun, nicht direkt vor dem eigentlichen Tor, blieben wir stehen und starrten auf den kleinen Wohnwagen, der geschützt unter einem großen Kirschbaum sein vermoostes Dasein fristete. Marc blickte sich kurz um und sprang dann über den Holzzaun.
    »Marc, warte!«, flüsterte ich ihm hinterher, doch er schlich bereits in geduckter Haltung am Rande ehemaliger Beete entlang.
    Fluchend folgte ich ihm, kletterte über die Holzlatten und landete in wildem Gestrüpp. Der Garten hatte schon gepflegtere Tage gesehen; man sah ihm an, dass die Bewohner dieses Hauses nicht mehr viel Kraft für eine Rasenpflege aufbringen konnten. Als ich Marc so hinterher schlich, fühlte ich mich wie eine miese Verbrecherin und fürchtete, dass uns jemand beobachten könnte, doch das Grundstück war lediglich vom Haus aus einsehbar. Die Rollläden des Hauses selbst waren geschlossen.
    »Marc, warte doch mal!«
    Ich lief ein paar Schritte über den vor Kälte verhärteten Boden, um ihn einzuholen. Dann erwischte ich ihn an der Schulter. »Was ist, wenn die beiden sich gar nicht mehr an uns erinnern und die Polizei rufen, wenn sie uns entdecken?«
    »Was? Warum sollten sie sich nicht erinnern?«
    »Naja, sie sind alt …«
    »Sarah – die waren tough genug, bis in die Innenstadt zu fahren und unseren Verein aufzusuchen. Glaube mir – sie würden sich erinnern!«
    »Und wenn sie es sich anders überlegt haben?«
    Marc schüttelte den Kopf. »Dann werden sie sich wohl nicht in diesen Wohnwagen schlafen legen oder vorher ihre Heizung reparieren lassen!«
    Wir standen inzwischen vor dem Wohnwagen. Ausgeblichene Scheibengardinen verwehrten uns von außen den Einblick in das kleine Ersatzheim. Marc lief einmal um den Wagen herum und suchte anscheinend nach einem Zugang zur Heizung.
    »Und?«, fragte ich, als er wieder neben mir stand.
    »Du musst wohl reingehen.«
    »Ich?!«
    »Dann eben wir. Irgendetwas musst du aber auch machen!«
    »Wieso – was wolltest du denn machen?«
    Marc packte an den Griff der schmalen Tür und drückte sie auf. »Wir müssen die Dachluke zudecken und innen nach dem Abgasrohr suchen … Nach dir!«
    »Warum ist die Tür nicht verschlossen?« Ich flüsterte noch immer. »Da könnte ja jeder rein.«
    »Wahrscheinlich halten sie das auf ihrem einsamen Grundstück für überflüssig.«
    Er schubste mich ein bisschen von hinten und widerwillig trat ich ein. Marc folgte direkt dahinter und zog die Tür wieder zu. Der Wohnwagen roch muffig und erinnerte mich an ein museumsreifes Ausstellungsstück. Die eingebauten Holzschränke waren aus dunklem Eichenfurnier und auf dem Klapptisch stand eine kleine Vase mit künstlichen Blumen. Marc hatte inzwischen eine Silikonpistole aus seinem Rucksack geholt.
    »Prüfe mal, ob es an den Fenstern zieht. Wenn ja – dichte sie hiermit ab.« Er presste mir die Pistole in die Hand. »Geöffnet ist sie schon, du brauchst es nur von hinten herauszudrücken.«
    »Wird man nicht misstrauisch werden, wenn man diese Abdichtungen findet?«
    »Wieso? Das kann Leo doch selbst gemacht haben. So, wie das hier aussieht«, er blickte stirnrunzelnd in den Kleiderschrank, unter dem sich die Heizung befand und durch den ein langes Rohr nach draußen führte.
    Ich begann, mit den Händen die Fensterränder abzutasten.
    »Warte!«, rief Marc, » … zieh dir vorher Handschuhe an!« Er kramte in seiner Jackentasche und überreichte mir ein Paar Einmalhandschuhe. Er selbst trug die ganze Zeit über schwarze Lederhandschuhe.
    »Du

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