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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
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die auf dem Boden des großen Zimmers verstreut liegen, wo die Frau weiter in dem Bett schläft. Das Badezimmer ist wie eine pechschwarze Höhle. Der Mann tastet mit den Händen über die Wände, bis er den Schalter findet und das Licht anmachen kann.
    Kleidungsstücke hängen zum Trocknen über der Badewanne, Höschen und andere Unterwäsche in verschiedenen Größen, irgendwo ist auch eine Waschmaschine eingepfercht. Eine Ente, rot und aus Plastik, liegt auf dem Boden der Badewanne. Mit ihrem leeren Zylinderauge starrt die Waschmaschine den Mann an, und dieses bereits vollgestopfte Badezimmer wird bald noch kleiner sein, wenn die Tochter es auch zu anderen Zwecken benutzen wird als zum Zähneputzen und dem Toilettengang.
    Bevor der Mann sich mit dem Rücken zur Frau auf die Seite dreht, um wieder einzuschlafen, zieht er in der Dunkelheit das Laken über ihr zurecht. Das geschieht so liebevoll, dass er selbst gerührt ist. Die schlafende Frau merkt nichts. Deswegen ist er mit dieser fürsorglichen Geste noch zufriedener. Bevor er einschläft, versucht er sich zu erinnern, ob er irgendwann im Laufe der Nacht geflüstert hat, dass er sie liebe. Der Mann ist beinahe sicher, dass er nichts dergleichen geflüstert oder auch nur gedacht hat. Auf jeden Fall hält er es nicht für besonders wahrscheinlich.
    Später wacht der Mann auf, er liegt auf dem Rücken, es muss schon Morgen sein. Der Mann sehnt sich nach Hause. Der Körper schmerzt. Er denkt an die Brille. Der Nacken fühlt sich steif und starr an, er hat leichte Kopfschmerzen, und aus dem Augenwinkel sieht er, dass die Frau an seiner rechten Seite immer noch mit dem Rücken zu ihm schläft. Das Laken, das er in der Nacht um sie herum festgestopft hat, ist herabgeglitten; ihr Rücken, ihr Hintern und ihre Schenkel sind entblößt, deutlich sieht er die schwarze Spalte zwischen den Hinterbacken, nackt erscheint ihm die Frau größer und plumper als gestern in Kleidern.
    Der Mann überlegt, wie früh oder wie spät es sein mag, aber auch seine Armbanduhr muss irgendwo zwischen den Kleidungsstücken und Schuhen auf dem Boden liegen. Im Raum ist es vollkommen still. Nichts anderes als das graue Morgenlicht, das durch die Gardine sickert, gibt ihm einen Anhaltspunkt für die Uhrzeit.
    Über dem Vogelkäfig auf dem Piedestal liegt ein schwarzes Tuch. Erst nach einer Weile erinnert sich der Mann daran, dass am Abend zuvor kein Tuch über dem Vogel und dem Käfig lag, irgendwann in der Nacht musste die Frau aufgestanden sein, um das Tuch über den Käfig zu legen, in Fürsorge für ihr Haustier oder damit der Vogel sie am Morgen des nächsten Tages, der ja kein Arbeitstag war, nicht mit seinem Gesang oder vielmehr Geplapper wecken sollte; in der Welt eines Käfigvogels steht ein solches schwarzes Tuch für die einzige Zeitrechnung.
    Wie spät mochte es sein?
    Allein schon im Bett einer fremden Frau aufzuwachen kann lästig sein, der Mann will so schnell wie möglich nach Hause, und in dieser fremden Stadt bedeutet so schnell wie möglich nach Hause ins Hotel, aber noch schlimmer ist, dass er nicht weiß, wie spät es ist. Wenn der Mann verschlafen hat, dann wegen dieses schwarzen Tuchs.
    Was für ein Tag ist heute? Ach ja, es ist Samstag, Samstag Morgen, aber wie spät es ist, weiß er immer noch nicht. Das stört ihn viel mehr, als wenn der Vogel ihn schon in der Frühe geweckt hätte. Im Licht des Himmels über der Stadt wirkt das Zimmer kleiner und nicht so gemütlich wie am Abend zuvor. Andererseits hat der Mann an diesem Samstag nicht viel zu tun, die Geschäfte, die hier in der Stadt zu erledigen wären, sind wenige und eigentlich unwichtig; erst spät am Samstagnachmittag hat der Mann eine Verabredung.
    Neben ihm im Bett schläft die Frau mit tiefen, langen Atemzügen, eine Weile vergnügt er sich damit, sie an ihrem nackten Rücken zu beobachten und zu zählen.
    Sein eigener Rücken schmerzt fortwährend. Vorsichtig setzt der Mann sich im Bett auf, um den Schmerz zu lindern, und in diesem Moment erblickt er das Kind: es war unsichtbar, solange er hinter der Frau lag, das Kind von gestern, in den Armen der Mutter, die es in der Nacht umschlungen hat.
    Der Mann ertappt sich dabei, dass er nicht weiß, wie die Tochter heißt. Hat er ihren Namen vergessen? Oder wurde er am vorigen Abend überhaupt nicht erwähnt? Das abscheuliche Stofftier hingegen, daran erinnert sich der Mann, heißt Hurvínek.
    Mutter und Tochter schlafen. Der Mann beobachtet sie. Wie eine Frucht,

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