Notluegen
yes oder how are you today? sagen. Letzteres betrachtete der Mann nicht als Sprachkenntnis im eigentlichen Sinne, sondern eher als einen Satzfetzen aus einem amerikanischen Film, den die Frau, wie er vermutete, im Fernsehen aufgeschnappt hatte; tatsächlich stand ein kleiner tragbarer Fernseher auf einem Stuhl im Schlafzimmer gegenüber von ihrem Bett. Aber wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen.
Die Frau setzte den Hund zurück auf die Pfütze am Fußboden. Der Mann hätte ihn am liebsten mit einem Tritt ins Treppenhaus hinausbefördert, oder, als wäre er ein Knäuel Putzwolle oder eine Scheuerbürste, gegen die geschlossene Tür am anderen Ende des Treppenhauses geschleudert, die vermutlich die Tür zur Küche oder zur Toilette war. Die Wände in diesem ersten Zimmer der Wohnung mit dem abschüssigen Boden waren in kräftigen Farben gestrichen; er bemerkte Purpurrot und Ockergelb, aber das Zimmer wirkte trotzdem düster, als könnten die Farben jederzeit von der Dunkelheit verschluckt werden. Die Frau zog einen Vorhang zur Seite; kleine Glöckchen läuteten, dahinter war noch eine Tür.
Aber welche Tür zur Küche und welche zur Toilette führte, dafür würde sich der Mann erst später am Abend interessieren, und dann viel eher für die Tür der Toilette als für die der Küche, um zu vermeiden, wie der Hund in seiner eigenen Nässe liegen zu bleiben. Da lag die Frau bereits auf dem Rücken neben ihm im Bett und schlief. Endlich war es still im Haus. Die späte Nacht in dieser Stadt war ohne Geräusche, jedenfalls in diesem Stadtteil. In der Dunkelheit konnte der Mann die gleichmäßigen und, wie er glauben wollte, unbekümmerten Atemzüge der Frau hören: Ihre Brüste hoben und senkten das Laken, als wäre es ein Meer in der Nacht und ihre Atemzüge seine stillen Dünungen.
Gab es eine Toilette? Hätte der Mann die Frau geweckt, um zu fragen, hätte sie, noch schlaftrunken, vermutlich gemurmelt boldoruschul mrmsasch (oder etwas Ähnliches), um im nächsten Augenblick wieder einzuschlafen. Besonders viel klüger hätte ihn eine solche Auskunft nicht gemacht, weshalb er sich auf eigene Faust hinaus in die Wohnung begab, um nach einer Toilette zu suchen, eine Toilette musste es ja irgendwo geben, und fast sofort hatte er sich den Kopf an der Decke gestoßen; eine dünne Substanz unbekannten Ursprungs rieselte zwischen den Deckenbalken hervor und über sein Gesicht, in der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, was es war, aber ein beißender Geruch nach Schimmel und Moder stach ihm plötzlich in die Nase, und noch einige Tage später, in einem ganz anderen Land, weit entfernt von dieser Stadt und diesem Haus, dessen Adresse er nicht einmal kannte – und das sich deshalb immer schwieriger als ein in der Sinnenwelt oder auch nur auf einer Karte existierender Platz verorten ließ –, behielt er als Erinnerung an die Nacht mit dieser Frau eine blauschwarze Beule an der Stirn.
Am Tag darauf hatte sie die Wohnung schon verlassen müssen, bevor der Mann aufgewacht war. Wohin war sie verschwunden? Auch den Hund hatte sie mitgenommen; der Mann suchte unter dem Bett und hinter dem Vorhang, ohne ihn zu finden. Auf dem Fernseher hatte ihm die Frau eine schriftliche Mitteilung hinterlassen, die er mit guten Gründen als an ihn gerichtet auffasste, zumindest hatte sie sich am Abend zuvor nicht dort befunden, aber er bemühte sich nicht einmal zu versuchen, sie zu lesen.
Auch der nasse Fleck hinter der Tür war weg. In der Küche, der Mann hatte sie ohne größere Schwierigkeiten gefunden, öffnete er rasch verschiedene Schränke: Er fand Mehl, Reis, Zucker, Bohnen, etwas in einem Leintuch, das aussah wie der Kot eines sehr kleinen Haustiers, sowie Schachteln mit Streichhölzern, aber keinen Kaffee.
Die Beule an der Stirn pochte und schmerzte. Der Mann trank ein Glas lauwarme Milch aus einer Karaffe, die auf dem Tisch stand. Dann durchsuchte er abermals die Schränke, fand ein paar trockene Plätzchen auf einer Platte, die Platte hatte einen Sprung, aber als er in eins der Plätzchen biss, war es zäh und viel zu süß, also legte er es zurück, die anderen Plätzchen ließ er stehen.
Der Mann stellte fest, dass die Berühmtheit der Frau sie nicht vor der Ärmlichkeit zu bewahren schien, welche sowohl ihre Wohnung wie ihre Frühstücksgewohnheiten prägte. Aber sofort musste er zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wie berühmt sie eigentlich war, sich nicht einmal erinnerte, wer ihm am Vorabend etwas von dieser
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