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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
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Berühmtheit ins Ohr geflüstert hatte, nur, dass der Abend da schon weit fortgeschritten war. Wie aber kam es zu der musikalischen Aufwartung mit Affe und allem Drum und Dran? Wobei der Mann sich eingestehen musste, dass jeder beliebige Zigeunerprimas, mit oder ohne Affe, einen guten Blick für die äußere weibliche Schönheit haben mochte, die viel öfter als wir annehmen von einer ebenso schönen Gesangsstimme begleitet wird. Auch wusste der Mann nicht, wie sich in diesem Land das Frühstück zum Lunch oder Abendessen verhielt.
    Kein Kaffee. Der Mann fluchte. Er tat es in seiner eigenen Sprache, erst schweigend für sich, aber bald so laut, dass jeder in einer so kleinen Wohnung es hätte hören können, ohne diese Flüche in einer vollständig fremden Sprache zu verstehen. Aber da war niemand. Der Mann war allein. Damit war er immerhin ganz zufrieden.
    Dann dachte er wieder an die Frau und daran, dass er für sein Teil die Schauspielkunst nie besonders geschätzt hatte. Die wenigen Schauspieler, die er durch reinen Zufall kennengelernt hatte, hatten sich als einfältig und jähzornig erwiesen, die Männer auf weinerliche Art egozentrisch, und die Frauen lachten schrill, auch wenn sie nicht auf der Bühne standen. Alle tranken zuviel. Ihre sogenannte Kunst hielt der Mann zwar für die schwerste aller Künste, trügerisch und geradezu gefährlich, aber in allen Zeiten und Kulturen von einem schlechten Ruf begleitet, den sie vermutlich verdienten.
    Während des vorhergegangenen Abends hatten der Mann und die Frau mehrere Versuche gemacht, miteinander zu reden. Delgarjulpud arbestuk (oder etwas Ähnliches), hatte die Frau gesagt, und aus ihrem Tonfall hatte der Mann geschlossen, dass es sich um eine Frage handelte. Aber allein anhand des Tonfalls war es unmöglich, eine Antwort zu finden. Der Mann hatte deshalb resigniert den Kopf geschüttelt. Das hatte die Frau anscheinend gefreut. Hatte er unbewusst den Sinn der Frage erahnt? Der Mann hatte sich das, was sie gerade gesagt hatte, merken wollen, um beim nächsten Mal, wenn es denn wirklich eine Frage war, mit demselben Kopfschütteln antworten zu können, das sie anscheinend so froh machte, hatte aber schon vergessen, was sie eigentlich gesagt hatte. Dulparalsjuk ebershen? Nein. Das war wohl nicht richtig. Dass etwas fast so klang wie etwas anderes oder ihm ähnelte, genügte nicht, war keine Garantie dafür, dass es ihr auch das nächste Mal Freude bereiten würde.
    Durch das Küchenfenster, eine schmutzige Luke wie in einem Hühnerstall, betrachtete er das Wasser da draußen. Dieses Wasser schien sich bereits so früh am Morgen in alle Richtungen auszubreiten. Die Stadt lag an einem breiten Fluss, größer wohl, als der Mann je einen gesehen hatte, oder an etwas, das vielleicht sogar eine Meeresbucht war. Das Wasser war grau und wirkte mit all seinen schwarzen Wirbeln in all dem Grau trüb. Gleich unterhalb des Küchenfensters begann es und erstreckte sich bis zu einem weit entfernten Ufer auf der anderen Seite, wo Häuser und Gebäude aussahen wie gestauchte Schachteln oder Kartons, die ohne Plan und Ordnung entlang der Strandlinie ausgeschüttet waren. Es ließ sich nicht sagen, was mit einer solchen Bebauung beabsichtigt war. So früh am Morgen gab es nichts, dessen man sich sicher sein konnte. Große kreischende Vögel kreisten langsam unter dem Himmel, stiegen zu ihm hinauf oder sanken auf steifen, fast erstarrten Flügeln so tief über den Fluss oder die Meeresbucht hinab, dass sie mit den Flügelspitzen die Wasseroberfläche streiften; die Nebelhörner unsichtbarer Schiffe tuteten und übertönten hin und wieder das Vogelgeschrei, aber dieser letzte Dämmerungsnebel, wenn es nicht der Rauch von der Stadt war, riss schon in Stücke und würde bald ganz verschwunden sein; die Sonne nahm ihren Weg hinauf zum Himmel.
    Von allen Seiten schien diese Stadt von offenem Wasser umgeben, und weit draußen auf der Reede, nahe am Horizont, pflügten Schiffe wie schwarze geometrische Figuren in beide Richtungen durch das graue Morgenwasser; der Mann vermutete, dass es sich um Öltanker handelte, oder vielleicht um Schiffe, die mit Bananen oder Eisenerz beladen waren, deren Bugwellen, erst lange nachdem sie aus dem Blickfeld verschwunden waren, gegen die gepflasterten Kais schlugen, ohne dass die Stadt es überhaupt bemerkte.
    Als der Mann auf die Straße hinaustrat, unrasiert und ohne gefrühstückt zu haben, hatte er keine Ahnung, wo er sich befand. Es war schon sehr

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