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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
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darüber nachdenkt, im Warten darauf, dass das Kind in seinem Bett einschläft, so dass seine Mutter vorsichtig die Tür zu dem kleinen Zimmer wird schließen können, um wieder zurück zu ihm in das große zu kommen, wird er plötzlich von der Sehnsucht nach dem überwältigt, was er nie gehabt hat und wofür es jetzt wohl (ja, ganz bestimmt) zu spät geworden ist: ein eigenes Kind.
    Und dann kehrt die Mutter wieder in das große Zimmer zurück, jedoch mit dem Kind in den Armen. Hellwach und boshaft entzückt klammert es sich mit seinen kleinen rundlichen Armen an der Mutter fest, und zwischen ihr und der Mutter ist das Stofftier festgeklemmt.
    Es geht nicht, sagt die Frau, und für den Mann klingt das wie eine Entschuldigung, von der sie bereits überzeugt ist, dass er sie nicht akzeptieren wird. Das tut er auch nicht.
    Sie schläft nicht ein, sagt die Frau.
    Der Onkel soll gehen, sagt das Kind.
    Da dem Mann jetzt nichts anderes übrigbleibt, als aufzustehen und zu gehen, oder sich wieder an den Tisch zu setzen, diesmal zusammen mit dem Kind, handelt die Frau, zerrissen wie sie ja zwischen ihrem Kind und dem Mann ist, rasch.
    Schau, wie lieb der Onkel zu Hurvínek ist, sagt sie.
    Die Spielzeugfigur, Hurvínek genannt, hat zwei schwarze Knöpfe als Augen angenäht, und der Mann kann sehen, dass sich in dem bleichen Gesicht des Kindes ein Paar ebenso schwarzer Knopfaugen befindet. In dieser unvollständigen Familie ist Hurvínek die einzige Mannsperson. Die Knopfaugen des Kindes sind unablässig auf den Mann fixiert. Er lässt sie jetzt aufleuchten, indem er zeigt, wie er den Daumen verschwinden lassen kann, mit einem Ohr wackeln, während das andere ganz still ist, und dann mit einem knirschenden Geräusch seine eigene Nase brechen, um sie im nächsten Augenblick wieder gerade und unversehrt zu zeigen.
    Auf diese Weise Hand an sich selbst zu legen statt an jemand anderen, und zwar ganz freiwillig, scheint dem Kind zu imponieren, das jetzt gähnt und wirklich schläfrig aussieht.
    Die Zeit geht und geht, sagt das schläfrige Kind und gähnt nochmals, und der Mann ist erschreckt von dieser Phrase aus dem Mund eines Kindes; es muss sie irgendwo aufgeschnappt haben, ohne die geringste Ahnung davon, was das eben Gesagte bedeutet, und hätte das Kind nicht auf dem Schoß der Mutter gesessen, hätte der Mann es in diesem Augenblick für einen Gnom oder einen Zwerg halten können.
    Erzähl dem Onkel, was ihr in der Kita macht, sagt die Mutter, die neuen Mut gefasst hat.
    Aber dann entdeckt das Kind einen der Teller auf dem Tisch (es ist jener der Mutter) und drückt die Schnauze des Stofftiers hinein.
    Hurvínek will auch essen!
    Erzähl, was ihr in der Kita macht.
    Ja, erzähl, sagt der Mann.
    Namnam, sagt das Kind.
    Hurvínek hat keine guten Tischmanieren, sagt der Mann.
    Eigentlich ist dies an die Mutter gerichtet, aber sie schweigt, stattdessen protestiert das Kind und sagt, das sei nicht wahr, obgleich es die Bedeutung eines Wortes wie Tischmanieren vermutlich nicht kennt, vielleicht gerade deshalb protestiert, oder auch deshalb, weil selbst ein sehr kleines Kind doch aus dem Zusammenhang verstehen kann, dass das, was der Mann sagt, etwas Kritisches, gegen es selbst Gerichtetes ist.
    Der Onkel lügt, der Onkel lügt, der Onkel lügt!
    Das Kind steigert seine eigene Wut, indem es Hurvínek wieder und wieder auf die Tischplatte knallt, so dass die Teller scheppern; die Mutter des Kindes sieht jetzt ratlos und hilflos aus, sie scheint aufgegeben zu haben, so dass der Mann sich gezwungen fühlt, ihr zu Hilfe zu kommen, indem er dem misshandelten Hurvínek seinen eigenen Teller anbietet, auf dem sich ja noch ein paar Tomatenscheiben und etwas Salatsoße befinden.
    Das Kind scheint das Angebot zu erwägen, zögert jedoch. Dann aber entschließt es sich dazu, dass Hurvínek wohl immer noch hungrig ist, jedenfalls noch ein bisschen aufbleiben kann, ohne dass er in sich hineinstopfen muss, was er nicht mehr haben will. Also reicht das Kind ohne ein Wort Hurvínek über den Tisch, und der Mann bindet dem Stoffwesen eine Papierserviette um den Hals und beugt es vorsichtig über seinen Teller, als wolle Hurvínek jetzt wieder mit gutem Appetit essen, aber diesmal langsam und mit Messer und Gabel in der richtigen Hand (oder Pfote), so dass das Kind eine Vorstellung davon bekommt, was in der Welt der Erwachsenen als gute Tischmanieren gilt.
    Leckerlecker, sagt der Mann. Hurvínek mag Mamas Essen.
    Für einen Moment scheint das Kind

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