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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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einen solchen Decknamen ablehnen sollen; gerade den Vater hätte man heraushalten sollen, und sie kann sich nicht vorstellen, dass man ihrem Mann eine so unbedeutende Geste verweigert hätte, zumal es seine Mitarbeit vielleicht leichter erträglich gemacht hätte.
    Oder war es doch sein eigener Vorschlag gewesen?
    Ein Sohn, dem bewunderten Vater endlich ebenbürtig, fast ein Held, obwohl sich der Sohn unter dem Namen des Vaters entschieden hatte, das zu bekämpfen, wofür der Vater einmal sein Leben riskiert hat, und die Frau fühlt, dass ein kalter Luftzug geht, die Winterluft von draußen ist jetzt auch in das Zimmer der Tochter geweht, die Frau hat das offene Fenster im Wohnzimmer vergessen und geht zurück, um es zu schließen.
    Unnütz vertan war der Abend trotzdem nicht, sagt sie plötzlich laut zu sich selber, es gibt ja niemand anderen, der hören könnte, was sie sagt, und dann sagt sie laut, nein, wirklich nicht, und fast gleichzeitig läutet das Telefon.
    Es ist ihr ehemaliger Mann.
    Im Hintergrund hört sie laute Stimmen, Lachen und das Klirren von Gläsern. Der Mann muss auf dem Heimweg in einer Kneipe in der Nähe eingekehrt sein und weiter getrunken haben, und am Telefon sagt er, da sei etwas, was er ihr mitteilen wolle.
    Es gibt etwas, was ich dir bekennen muss, sagt der Mann mit einem Lachen, und aus der Art, wie er lacht, schließt die Frau, dass er betrunken ist und sonst wohl nicht den Mut gehabt hätte, sie anzurufen.
    Stumm lauscht die Frau seinem Bekenntnis am Telefon: Heute Abend hat er gespürt, dass die Liebe zu ihr wieder aufgeflammt sei, er begehrt sie, er will sie wiederhaben.
    Ich kann dich kaum verstehen, sagt die Frau.
    Die machst mich wahnsinnig geil, sagt der Mann in den Hörer. Hörst du mich?
    Die Frau versucht, mit einem Lachen abzutun, was er gesagt hat, aber dieses Lachen will ihr nicht richtig gelingen, und der Mann will nicht auflegen, er wiederholt, was er gesagt hat. Im Hintergrund wird mit Bierkrügen geklappert, jemand klopft auf einen Tisch. Schließlich sagt die Frau, sie könnten vielleicht irgendwann versuchen, sich wieder zu umarmen.
    Wie Freunde oder alte Menschen es tun, sagt sie.
    Falls uns das gelingt. Aber nicht jetzt.
    Was zwischen uns gewesen ist, ist vorbei, sagt die Frau am Telefon. Wir können nicht für den Rest unseres Lebens in der Vergangenheit graben. Geh jetzt nach Hause und ins Bett, versprichst du mir das?
    Dann legte sie auf. Für eine Weile blieb sie neben dem Telefon sitzen, erinnerte sich dann an die Topfpflanzen in der Küche und stand auf, um sie zu gießen. Es war weit nach Mitternacht.
    Sie hatte einen langen Arbeitstag vor sich, einen Staatsbesuch aus einem afrikanischen Land, von dem die Frau nicht einmal wusste, wo sie es auf einer Karte hätte finden können. Staatsbesuche waren besonders anstrengend. Alle Küchengeräte und die Ausstattung der Gästezimmer waren bereits auf Vollständigkeit überprüft und bei Bedarf ergänzt worden, von der Kanzlei, der Küche und dem Zimmerservice hat sie außerdem die Berichte bekommen, die sie vor einer guten Woche angefordert hatte, aber noch war sie ihre eigenen Aufgabenlisten nicht durchgegangen, vieles war noch immer alles andere als vollständig, und wenn sie jetzt daran dachte, spürte sie, wie spät es geworden und wie müde sie tatsächlich war.

Dass ihn etwas so Lächerliches wie eine Haarbürste zu Fall bringen würde, wäre dem Mann nie in den Sinn gekommen, obwohl er wusste, dass das, worauf er sich eingelassen hatte, gefährlich genug war, aber eine Haarbürste, noch dazu aus Plastik!
    Er war direkt in die von seiner eigenen Frau gestellte Falle getappt. Niemals würde der Mann ihr das verzeihen können.
    Gerade das Lächerliche hatte er ja vermeiden wollen. Deshalb hatte er so großen Wert auf die Aufrichtigkeit jener anderen Frau gelegt. Konnte es wirklich sein, dass er ihr einmal gesagt hatte, er liebe sie? Dem Mann fiel es schwer, das zu glauben. Dagegen sprach, dass es die Frau gewesen war, die vom allerersten Anfang an klargemacht hatte, dass es ihrerseits nicht um wirkliche Liebe ginge, viel zu sehr liebte sie ihren Mann, und in seinem Interesse müssten sie sehr vorsichtig sein. Das hatte sie schon an jenem ersten Abend im Sperl gesagt.
    Aber damals wusste der Mann nicht, dass die Frau das, was sie sagte, in einem Roman gelesen und Wort für Wort für einen künftigen Gebrauch aufgespart hatte. Durchtrieben, könnte man meinen, freilich. Gemein! Aber was sie da gesagt hatte,
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