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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen
Autoren: Richard Swartz
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beweisen?
    Der Mann zuckt die Achseln.
    Wenn man liebt, dann liebt man, sagt er schließlich. Das ist einfach so. Das ist nichts, was man beweisen könnte. Liebe ist Liebe.
    Ich muss jetzt abwaschen, sagt die Frau und erhebt sich vom Tisch, und um in der Küche allein zu sein, fragt sie ihren geschiedenen Mann, ob er vielleicht noch etwas Nachtisch wolle.
    Der Mann (der am Tisch sitzen geblieben ist): Was für ein Nachtisch? Jedes Mal, wenn ich mit dir über etwas Wichtiges sprechen will, fängst du an, von etwas anderem zu reden. Merkst du das nicht? Es war immer dasselbe. Ich wollte über unsere Probleme sprechen, und du hast angefangen abzuwaschen, hast einen Topf oder etwas anderes auf den Herd gestellt. So hast du unsere Ehe zerstört. So hast du mein Leben zerstört.
    Mit seinem zerstörten Leben ist der Mann besonders zufrieden. Endlich ist offen ausgesprochen worden, worüber er den ganzen Abend reden wollte.
    Dieses zerstörte Leben überrascht die Frau, die findet, das sei ja doch eine Übertreibung, der Mann sei wieder zu weit gegangen, und das macht sie reizbar, nachdem das erste Erstaunen verflogen ist. Aber diese Reizbarkeit nimmt keinen anderen Ausdruck an, als dass die Frau weiterhin über das schweigt, was sie den ganzen Abend über hatte fragen wollen, etwas, was der Mann als ein halbes Einverständnis auffasst, als hätte seine ehemalige Frau endlich ihren Anteil an der Verantwortung dafür eingestanden, dass sein Leben, über das sie nichts mehr weiß, so aussieht wie es aussieht.
    Du kannst doch wenigstens mit mir reden, sagt der Mann. Nie hast du mit mir über etwas reden wollen, das mir wichtig ist.
    Ohne auf das zu antworten, was sie als einen sehr starken Vorwurf empfindet, verlässt die Frau den Tisch, um in die Küche hinauszugehen, woraufhin der Mann sofort aufsteht und ihr auf nicht ganz sicheren Beinen folgt.
    Du musst doch zugeben, dass ich mich immer mehr angestrengt habe als du. Ich habe von der Hoffnung gelebt. Von Anfang an und bis zuletzt habe ich versucht, unsere Ehe zu retten. Und nicht nur um unseres Kindes willen. Ich habe dich doch geliebt.
    Diese Weinerlichkeit des Mannes hat den Ekel der Frau erregt und erscheint ihr zudem als irgendwie demütigend für ihre Ehe, die zwar schon gescheitert und aufgelöst ist, aber auch wenn diese Ehe nicht mehr besteht, will sie nicht zulassen, dass man sie wie irgendetwas Beliebiges behandelt.
    Sie sind im Zimmer einander gegenüber stehen geblieben. Die Frau, die schon während ihrer Ehe den Mann um seine Fähigkeit beneidet hat, ohne Anstrengung eine Erklärung oder Entschuldigung für alle seine Verirrungen, manchmal die reinsten Gemeinheiten, zu finden, entdeckt jetzt aus der Nähe, dass er dafür doch einen hohen Preis hat zahlen müssen; sie sieht den irrenden, trüben Blick des Mannes, wie die Jahre Furchen in sein Gesicht gegraben haben, tiefe schwarze Furchen, als wären sie mit Schmutz gefüllt. Früher hatte es die nicht gegeben. Und dieses gefurchte Gesicht weckt das Mitleid der Frau.
    Sacht streckt sie die Hand nach ihm aus, vielleicht, um dem Mann über die Wange zu streichen, sie weiß es nicht genau, aber sofort ergreift er sie, gierig, wie sich ein durstiges Tier auf eine Quelle stürzt, mit beiden Händen umfasst er ihre Rechte, nein, so geht das nicht, flüstert die Frau und versucht sich freizumachen, aber was sie sagt, ist an die Vernunft des Mannes gerichtet, obwohl es seine Hände sind, die sie fest umfassen, nah bei ihm nimmt sie den Geruch all dessen wahr, was er während des Abends getrunken hat, nein, flüstert sie, du tust mir weh, und irgendwie gelingt es ihr, ihre Hand zu befreien und ihn eher heftig als sanft von sich wegzuschieben, und der Mann lässt es geschehen, beide atmen tief und keuchend, wie zwei Tiere, von denen keines es schafft, das andere auf den Rücken zu werfen.
    Dann macht der Mann eine Bewegung mit der rechten Hand, als würde er etwas wegwerfen, und dieser ganze Auftritt zwischen zwei Menschen, die vor einigen Jahren miteinander verheiratet waren, erscheint der Frau jetzt so, als ob er sich in einem Theater abspiele, wo sie zugleich auf der Bühne steht und selbst im Zuschauerraum sitzt, unberührt von den Gefühlen, die nur künstlich und gespielt sind, nicht ihre eigenen, und diese Vorstellung, die plötzlich im Inneren der Frau Gestalt angenommen hat, erscheint ihr in diesem Moment als das einzig wirklich Echte, alles andere als falsch und verlogen.
    Ja, sagt die Frau (ist es wirklich
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