Notruf 112
eine massive Rauchvergiftung erlitten.
Ufo-Alarm
Es ist ein warmer Sommerabend, die Dunkelheit hat gerade eingesetzt. Das Rettungsgeschäft plätschert unspektakulär vor sich hin. Die üblichen Erkrankungen, diverse Fahrradstürze, eine leichte Verbrennung beim Grillen. Das ganz normale Sommergeschäft eben, wenn die halbe Stadt im Garten, im Biergarten oder an der Isar beim Grillen sitzt. Ich lehne mich entspannt in meinem Sessel zurück, verschränke die Hände hinter dem Kopf, bereite mich innerlich auf den nahenden Schichtwechsel vor und strecke mich in wohliger Erwartung.
Und dann habe ich plötzlich das widerliche Gefühl, als ob mir einer ohne jede Vorwarnung einen Tiefschlag in den Bauch versetzt hätte. Ich sehe rot. Knallrot! Auf meinem für gewöhnlich überwiegend grauen Display steigen plötzlich rote Säulen auf. Lauter Telefonhörersymbole – Notrufe allesamt, mindestens 20 Stück gleichzeitig ! Und es werden sekündlich immer mehr! Was zum Teufel ist denn jetzt los?
Ab jetzt volle Konzentration. So ist das immer: Schlagartig brennt bei uns die Luft. Geht es jetzt tatsächlich um Leben oder Tod, ist es natürlich wichtig, innerhalb kürzester Zeit sämtliche Anrufe entgegenzunehmen. Nach den bindenden Vorgaben des Bayerischen Innenministeriums müssen wir in der Lage sein, 85 Prozent aller Notrufe innerhalb von zehn Sekunden anzunehmen. Wie hat unser geschätzter Oberbranddirektor auf der Jahrespressekonferenz und in der Personalversammlung in Anspielung auf unsere täglich rund 3000 Anrufe einmal so treffend gesagt: »Auf diese Anrufzahlen wäre jedes europäische Callcenter stolz!« Gut möglich. Keine dieser kommerziellen Zentralen wäre jedoch in der Lage, eine Flut von nahezu gleichzeitig eintreffenden Notrufen innerhalb einer derart knappen Frist zu bewältigen – so wie man es von uns jederzeit erwarten kann und auch muss. Schließlich kann sich bei uns in der Flut der Anrufe zu einem bestimmten Ereignis immer noch ein zweiter oder dritter Einsatz verbergen, der mit dem eigentlichen Großeinsatz überhaupt nichts zu tun hat. Und auch dort kann es um Leben oder Tod gehen.
Also los. Auf in den Kampf.
»Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!«
Eine Frauenstimme, aufgeregt, aber konzentriert: »Schimmelpfennig, guten Abend. Ich rufe aus dem Harthof an. Zwischen den Häusern sehe ich Feuerschein, der sich auf und ab bewegt. Ich habe keine Ahnung, was das ist. Aber es macht einen Höllenlärm. Und es fliegt. Es ist echt unheimlich!«
»Brennt da irgendwas? Wie schaut das aus?«
»Es schwebt so komisch über die Häuser.«
»Erkennen Sie sonst irgendwas? Wie hört sich das denn an?«
»Es hört sich an wie ein Riesengebläse. Die Flamme ist sehr lang. Ich habe so was noch nie gesehen.«
»Wir schicken Ihnen sofort jemanden.«
Der Nächste – ein Mann – schildert genau das Gleiche und liefert seine persönliche Deutung gleich mit: »Hier spricht Singer. Ich rufe vom Harthof an. Halten Sie mich bitte nicht für irre, aber ich glaube, hier landet gerade ein Ufo. Ich sehe Feuer. Es ist sehr laut. Und es schwebt zwischen den Häusern. Ich weiß wirklich nicht, was ich …«
»Danke, wir sind schon unterwegs!«
Rings um mich herum höre ich die Kollegen diesen Satz sagen: »Wir sind informiert. Wir sind gleich da. Nein, ich kann Ihnen noch nicht sagen, was das ist.«
Aufgrund der Vielzahl der Anrufe entschließen wir uns, das Meldebild »Flugzeugabsturz« einzusetzen. Wohlwissend, was das für einen gewaltigen Einsatz auslöst. Eine Rückfrage in der Einsatzzentrale der Polizei ergibt, dass auch dort soeben zahlreiche besorgte Bürger angerufen haben. Die Blaulichtarmada, die sich nun gleichzeitig aus allen Teilen der Stadt in den Münchner Norden in Bewegung setzt, ist in der Tat beeindruckend: mindestens 30 Fahrzeuge von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei – das volle Programm!
Keine zwei Minuten später kommt die erste Rückmeldung. Und zum zweiten Mal an diesem Abend trifft mich der imaginäre Magenschwinger: von wegen Flugzeugabsturz. Auch kein Feuer. Und von Ufos wollen wir mal gar nicht reden. Es handelt sich lediglich um einen Heißluftballon, der mittlerweile sicher auf einer Wiese gelandet ist.
Die Ballonfahrer sind bei einsetzender Dämmerung über das Stadtgebiet getrieben worden und haben es nicht mehr geschafft, noch im Hellen die Stadt zu überqueren. Daher hat der Ballonführer schließlich die sogenannte Panzerwiese – ein riesiges Freigelände im Norden
Weitere Kostenlose Bücher