Notruf 112
Ohr ist bei den verzweifelten Befreiungsversuchen schon eingerissen und blutet. Das Eichhörnchen sitzt in einem der gusseisernen Löcher, die sich nach oben verengen, komplett fest.
Das Tier muss auf der Suche nach Nüssen oder Eicheln ins Fallrohr einer Dachrinne gefallen und so im weichen Schlamm eines unterirdischen Abflusses gelandet sein. Angelockt vom Tageslicht, versuchte es dann offenbar, sich mit Gewalt durch ein Loch des Gullydeckels ins Freie zu quetschen. Was für ein mutiger kleiner Kämpfer. Genauso tollkühn wie das kultige Säbelzahneichhörnchen Scrat aus dem Eiszeitcomic Ice Age , das meine beiden Kinder so lieben. Nur dass unser Scrat hier leider nur ein Leben hat.
Wir müssen uns beeilen. Eichhörnchen sind nämlich schwierige Patienten. Ich habe es mehrfach erlebt, dass sie uns einfach in der Hand gestorben sind – Herzkasperl vor lauter Angst.
Sehr vorsichtig heben wir daher den Deckel samt Eichhörnchen ab. Ein Kollege ist eigens dafür abgestellt, das Hinterteil des Tierchens immer schön waagerecht zu halten. Der erste Versuch, das gesträubte Pelzchen mit etwas Seife und Wasser zu glätten und weich zu machen und das Tier dann vorsichtig nach hinten hinauszuziehen, scheitert. Die Öffnung ist einfach zu eng.
Und so tritt unser durchnässtes Hörnchen samt seiner gusseisernen Halskrause die Reise in unsere Werkstatt auf der Hauptfeuerwache an. Zeitgleich trifft auch der Tierarzt von der Tierrettung München e.V. ein, der das Tier zunächst mit einem Beruhigungsmittel sediert. Den Rest der Befreiungsaktion verschläft unser kleiner roter Freund somit. Und das ist auch besser so. Mit allerhand Feinmechanikerwerkzeug wie Winkelbohrer und Flex mit biegsamer Welle durchtrennen wir zunächst den massiven Metallsteg. Das ist normalerweise das Werkzeug für allerhand pikante Einsätze wie allzu enge Eheringe, Blechtöpfe auf Kinderköpfen, Finger in Fleischwölfen oder diverses Sadomasospielzeug an unbeschreiblichen Körperstellen. Nicht selten enden solche Einsätze im Operationssaal. Das können wir unserem Eichhörnchen zum Glück ersparen. Wir erweitern das Loch, bis das Köpfchen wieder hindurchpasst. In der Tierklinik schläft das kleine Kerlchen dann seinen »Rausch« aus, bevor es in seinem Revier wieder freigelassen wird.
Tage später wird uns für diese von der Presse viel beachtete Rettungsaktion eine besondere Ehre zuteil. Die Feuerwehr München wird von der Tierschutzorganisation PETA nämlich zu »Helden für Tiere« ernannt. Mit Urkunde und allem Drum und Dran! Die hat jetzt auf unserer Hauptfeuerwache einen Ehrenplatz. Eine Begründung dafür gibt es natürlich auch: »Wir sind begeistert über den Einsatz der Münchner Feuerwehr, die mit diesem umsichtigen Einsatz und der Hilfe des Tierarztes das Leben des sensiblen Tieres retten konnte.« So ist es!
Babyalarm
Sie denken, es gäbe nichts Natürlicheres als eine Geburt? Das wäre schön. Doch ich muss Sie leider enttäuschen. Davon ist der moderne Mensch manchmal leider so weit entfernt wie die Milchstraße.
Als Vater zweier (übrigens sehr gelungener) Kinder, zeitweiliger Rettungsassistent an der Seite des Neugeborenennotarztes und nach einem einwöchigen Klinikpraktikum mit 35 (!) Geburten darf ich da wohl ein wenig mitreden. In der Zeit der bevorstehenden Geburt unserer Kinder habe ich meine Frau zu allerhand Geburtsvorbereitungskursen und auch bei der Auswahl der infrage kommenden Kliniken begleitet. Seitdem wundert mich eigentlich nichts mehr.
Speziell die Fragen übermotivierter Väter ließen mich zuweilen die Fäuste in der Tasche ballen. Die wissen alles. Wirklich alles. Sogar besser als die Ärzte. Und viel, viel besser natürlich als das dicke, dumme, gebärende »Frauchen« nebendran.
Warum sich manche Frauen solche Unverschämtheiten gefallen lassen, habe ich nie verstanden. Da stehen sie dann und schauen peinlichst berührt zu Boden, während Gatte Superschlau das medizinische Personal mit seinem Halbwissen und unendlich blöden Fragen wie dieser quält: »Ist es denkbar, dass die Milch in der Brust sauer wird, wenn es mit dem Stillen nicht sofort klappt?«
Oder dieser Stutzer hier, der mir und meiner Frau bei einer Vorstellung der infrage kommenden Geburtskliniken ziemlich unangenehm auffiel. Bei der Besichtigung des Kreißsaals in einer großen städtischen Klinik, in der immerhin rund um die Uhr ein Neugeborenennotarzt und auch alle anderen Spezialisten zur Verfügung stehen, mokierte er sich laut über
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