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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Seifert , Christian
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Mutter. Sie hatte bei der Geburt sehr viel Blut verloren und war kreislauf­instabil.
    Die zwei kleinen Jungen waren zehn Wochen zu früh dran gewesen. In einer Klinik hätte man sie unverzüglich per Kaiserschnitt auf die Welt holen und sofort medizinisch versorgen können. Unter diesen Umständen schwebten Mutter und Kinder jedoch bereits in akuter Lebensgefahr. Von den Kosten dieses gewaltigen Einsatzes mal ganz zu schweigen.
    Die Mutter und ihre Zwillinge haben die völlig missglückte Hausgeburt überlebt. Ob mit oder ohne Folgeschäden, haben wir allerdings später nicht mehr erfahren. Unsere Notärzte jedenfalls waren stinksauer über den unverantwortlichen Leichtsinn dieser Eltern, die entgegen allen ärztlichen Ratschlägen ihr Lebensmodell über das Wohl ihrer ungeborenen Kinder gestellt hatten.
    So viel zum Thema »Geburt ist die natürlichste Sache der Welt«.

Benni
    Kinder sind scharfe Beobachter und reagieren im Ernstfall häufig unglaublich besonnen. Ich habe immer wieder erlebt, dass Kinder in Notsituationen in der Lage sind, weit über sich hinauszuwachsen. Solch ein Bub ist auch Benni.
    »Meine Mama ist krank!«
    Eine helle Kinderstimme. Ein kleiner Junge, ungefähr im Kindergartenalter, würde ich schätzen. Es ist heller Mittag und es klingt nicht so, als ob sich da ein Lausbub einen Scherz am Notruf mit uns erlaubt.
    »Hallo! Wer bist denn du?«
    »Der Benni!«
    »Hallo, Benni! Was fehlt denn deiner Mama?«
    »Weiß nicht. Sie hat aber gesagt, ich soll die Feuerwehr anrufen, wenn sie mal krank ist. Und dann kommt einer und macht sie wieder gesund.«
    »Stimmt genau, Benni. Und darum musst du mir jetzt ein bisschen helfen. Weißt du, wie die Straße heißt, in der ihr wohnt?«
    »Weiß nicht.«
    »Und wie heißt deine Mama?«
    »Mama. Hab ich doch gesagt«, erwidert er leicht empört über den dummen Mann am anderen Ende des Telefons. Unter anderen Umständen hätte ich jetzt laut gelacht.
    »Ja klar, entschuldige, Benni.«
    Neuer Versuch: »Wenn ihr Semmeln kaufen geht, was sagt dann die Bäckerin zu deiner Mama?«
    »Grüß Gott, Frau Müller.«
    Müller. Der Allerweltsname schlechthin. Keine Chance, in der Kürze der Zeit alle Müllers in Stadt und Landkreis München abzufragen.
    »Kannst du denn mal bei den Nachbarn läuten?«
    »Is niemand da.«
    »Schau mal aus dem Fenster, Benni. Was siehst du?«
    »Die Bäume und die Straße und die Autos. Und den Bus.«
    »Wo fährt denn der Bus hin?«
    »Weiß nicht.« Ach, Kleiner, du machst es aber spannend.
    »Kann ich mal mit Mama sprechen?«
    »Mama wackelt nur …« Pause. »Mama?«
    Sein Stimmchen zittert. Benni hat jetzt Angst. Also schnell ablenken.
    »Benni, schau doch noch mal aus dem Fenster. Ist da jemand, den du kennst oder mit dem du sprechen könntest?«
    »Nein.« Und dann sagt er plötzlich: »Alle sind bei McDonald’s.«
    Was meint er damit? Nachfrage: »Siehst du von eurer Wohnung aus vielleicht einen McDonald’s, Benni?«
    »Jaha!«, ruft er begeistert. »Manchmal geht Mama mit mir dahin und dann kriege ich Pommes. Und Hühnchen. Und da geht die Treppe runter. Da fahren alle Züge zum Hars. Ich fahre gerne Zug!«
    Was hat er da gerade gesagt. Zum Hars? »Wer ist denn der Hars, Benni? Ist das dein Freund? Oder vielleicht ein Hund?«
    Zum zweiten Mal in zwei Minuten habe ich mich in seinen Augen wohl als ernst zu nehmender Gesprächspartner disqualifiziert. Denn er sagt empört: »Der Hars ist doch kein Hund. Der Hars ist doch, wo wir wohnen! Ich hätte aber gern einen Hund. Mama will aber keinen Hund.«
    Oh du wunderbares Kind! Ich könnte dich küssen! Er hat mir soeben seine Adresse genannt. Er meint ganz offensichtlich den Harras – einen sehr belebten Platz mit U- und S-Bahn, einem Busbahnhof und einer McDonald’s-Filiale! Nur die Hausnummer lässt er sich nicht entlocken. Und ich weiß immer noch nicht, was Bennis Mutter fehlt …
    Ich schicke also eine Rettungswagenbesatzung zum Harras los und erkläre Benni, dass er am Fenster bleiben und sofort Bescheid sagen soll, wenn er Blaulicht sieht. In der Zwischenzeit muss ich ihn bei Laune halten. Wir unterhalten uns also über die anderen frechen Kinder im Kindergarten, über seine Dino-Sammlung und führen ein Fachgespräch über die besten Eissorten. Und dann jubelt er plötzlich: »Feuerwehr!«
    Ich sage zu ihm: »Wink mal ganz fest, dass die Feuerwehrleute dich auch sehen können.«
    Die Bestätigung der Kollegen lässt nicht lange auf sich warten: »Ein Kind winkt im

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