Notruf 112
zweiten Stock!« Sie haben ihn gefunden. Super!
»So, Benni, das hast du toll gemacht. Und jetzt gehst du runter und machst die Tür auf.«
»Ich darf aber nicht aufmachen, hat Mama gesagt.«
»Heute darfst du aber, denn wir wollen deiner Mama doch helfen.«
Man kann förmlich hören, wie der Kleine jetzt nachdenkt. Schließlich siegt die Angst um seine kranke Mama. Er legt den Hörer hin, die Tür klappt auf, dann hallen Stimmen im Treppenhaus. Ich höre einen Kollegen fragen: »Du bist der Benni, ja? Komm, wir schauen mal nach deiner Mama …«
Später erzählte mir der Kollege, dass er nie vergessen wird, wie der kleine Blondschopf da in der Tür stand – seinen blauen Stoffelefanten ganz fest an sich gedrückt, mit ganz großen, blauen, ernsten Augen. Er war ja erst vier Jahre alt und hatte eine wirklich erstaunliche Leistung vollbracht.
Bennis Mutter lag im Wohnzimmer auf dem Teppich. Sie leidet öfter unter plötzlich auftretenden Krampfanfällen und hatte ihren Sohn sehr klug auf diese Notfallsituation vorbereitet. Sie wurde unter Notarztbegleitung in die Klinik gebracht und erholte sich rasch wieder.
Im Kindergarten hat unser kleiner Lebensretter danach wahrscheinlich mächtig geprahlt mit seiner Heldentat. Seine Mutter hat sich später bei uns bedankt und uns mitgeteilt, dass Benni jetzt genau weiß, was er einmal werden will: Feuerwehrmann!
Der Bienenstich
Sie meinen, dass Kinder kein Handy brauchen? Dass sie sich das sogar erst regelrecht verdienen sollten mit guten Noten und einem halbwegs aufgeräumten Zimmer? Aus Feuerwehrsicht und auch als Vater zweier sehr aktiver Kinder sehe ich das mittlerweile ganz anders. Ein kleiner Junge namens Sebastian hat diesen Sinneswandel bei mir ausgelöst. Sebastian nämlich hat im zarten Alter von gerade mal sieben Jahren per Handy seiner Großmutter definitiv das Leben gerettet. Weil er ein tolles Kind ist. Und weil er vorausschauende Eltern hat.
Seine Großmutter hatte ihn an jenem milden und sonnigen Oktobertag gerade von der Schule abgeholt. Beim Einsteigen ins Auto wurde die Allergikerin von einer Biene gestochen. Ihr Zustand verschlechterte sich in kürzester Zeit rapide. So schnell, dass sie es nicht mehr schaffte, sich das Gegenmittel aus der Notfallspritze zu injizieren, die sie stets in der Handtasche bei sich trug. Ihr Enkel musste mitansehen, wie ihr Gesicht, die Lippen und die Zunge bedrohlich dick und blau anschwollen. Die Großmutter drohte zu ersticken. Ihr Kreislauf brach zusammen. Sie lag hilflos auf dem Sitz, Passanten waren nicht in der Nähe.
Da tat der kleine Junge, ohne zu zögern, das einzig Richtige. Er war nämlich stolzer Besitzer eines Mobiltelefons, mit dem er lediglich vier gespeicherte Nummern von Familienmitgliedern wählen konnte. Damit rief er seinen Vater an. Keine zwei Minuten später hatte ich den Mann am Notruf, der mir mithilfe seines klugen Sohnes den genauen Standort des Autos durchgab, in dem die Allergikerin gerade um ihr Leben kämpfte.
Als der Notarzt eintraf, war die Frau schon nicht mehr ansprechbar. Ihr Leben hing am seidenen Faden. Die Notfallbehandlung schlug jedoch gut an. Mit stabilem Kreislauf kam sie in die Klinik. Wenig später erlangte sie das Bewusstsein wieder und nach zwei Tagen konnte sie die Klinik verlassen. Dass sie überlebt hat, hat sie allein ihrem Enkelsohn und seinem Handy zu verdanken.
Anspruchsdenken
Der moderne Mensch ist so ziemlich gegen alles versichert, was man sich an Unbill so vorstellen kann: Blitzschlag und Hochwasser, Diebstahl, Feuer, Erdbeben, Einbruch, Handyverlust, Laptopabsturz, Mundgeruch, böse Nachbarn, bissige Viecher, Schneesturm, gegen die eigene Dämlichkeit und gegen Krankheiten und Unfälle in sämtlichen Variationen sowieso. Im gleichen Maße wie die trügerische Allroundsicherheit scheint auch das Anspruchsdenken in den Himmel zu wachsen. So hoch, dass wir unsere Kundschaft zuweilen nur noch mit Mühe auf den Boden der Tatsachen zurückholen können.
Ein sehr schönes Beispiel für ein völlig überzogenes Anspruchsdenken erwischte mich im letzten Sommer. Und zwar in Form eines Anrufs von einer sehr energischen Mutter, die wohl niemals Widerspruch duldet: »Guten Tag! Ich brauche sofort einen Rettungswagen für meinen Sohn!«
Im Hintergrund höre ich ein Kind laut weinen.
»Was ist passiert?«
»Er ist gestürzt und mit dem Kopf aufs Pflaster gefallen. Er blutet am Kopf. Ich will, dass sich das ein Arzt mal ansieht.«
»Ist er bei Bewusstsein?«
»Das
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