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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Seifert , Christian
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interne Einsatzschilderung hat sicherlich auch bei den Vorgesetzten für ein leichtes Schmunzeln gesorgt. Darin nämlich heißt es: »Er bekam eine Infusion gelegt, was er erstaunlicherweise ohne Kommentar hinnahm, obwohl dazu mehrere Einstichversuche notwendig waren.«
    Ich finde übrigens, man sollte unseren Horst aus dem Forst für die nächste Bambi-Verleihung vorschlagen. Ein Preis für die tapferste Nebenrolle wäre doch wohl das Mindeste. Oder ein Preis für den besten Simulanten oder so.

Herr Rossegger
    Seine Stimme klingt klar und fest. Obwohl er sicherlich ein Mann im fortgeschrittenen Alter ist. Eine Leitstelle aus einem Nachbarlandkreis hat ihn soeben zu mir durchgestellt mit dem vielversprechendem Hinweis: »Der ist wohl eher was für euch in München. Wir können ihm von hier aus jedenfalls nicht helfen.« Da bin ich ja mal gespannt:
    »Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!«
    »Bin ich jetzt in München oder wo?«
    »Ganz recht. Sie sind bei der Integrierten Leitstelle der Berufsfeuerwehr München.«
    »Sehr gut. Danke. Hier spricht der Rossegger Gottlieb. Ich brauche dringend Ihre Hilfe.«
    Beinahe hätte ich gefragt: »Wo brennt’s denn?« Aber diese Frage ist natürlich ein absolutes No-go und in diesem Kontext möglicherweise auch höchst unpassend. Ich begnüge mich also mit meiner Standardfrage: »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich bin gestürzt. Ich habe sehr starke Schmerzen und kann nicht aufstehen. Ich schätze, mein Fuß ist gebrochen.«
    »Wo sind Sie denn, Herr Rossegger?«
    »In München.«
    »Und wo da?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Ich bin in der Wohnung eines Bekannten. Er ist aber nicht da. Und ich kenne die Adresse nicht.«
    »Können wir Ihren Bekannten vielleicht mal anrufen?«
    »Ich habe keine Nummer.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Peter.«
    »Und weiter?«
    »Fällt mir gerade nicht ein. Das Alter, das Alter … Es tut mir leid … Ich denke nach. Wie heißt denn jetzt der Peter doch gleich …«
    Ach herrjeh. Da habe ich ja heute mal wieder am Glücksrad gedreht – und verloren. Mist.
    »Können Sie zur Tür oder ans Fenster gehen und vielleicht Nachbarn um Hilfe bitten?«
    »Ich kann nicht aufstehen, völlig unmöglich. Mir ist schon ganz schlecht vor Schmerzen. Und mein Telefon ist auch bald leer.«
    »Schon gut. Ich sehe Ihre Nummer auf dem Display. Ich rufe Sie gleich wieder an. Und jetzt versuche ich, Ihr Handy zu orten.«
    »Was machen Sie?«
    »Orten. Ich versuche über Ihr Handy herauszufinden, wo Sie sind.«
    Ich habe nicht den Eindruck, dass er mich versteht, aber dann sagt er: »Ach so. Na schön. Ich warte. Aber vergessen Sie mich nicht!«
    Natürlich nicht.
    Die Ortung geht schief. Kein Ergebnis.
    Jetzt kann wohl nur noch die Polizei helfen.
    Tatsächlich finden die Beamten einen Gottlieb Rossegger, 76 Jahre alt, wohnhaft in einem bayerischen Luftkurort. Und die Kollegen von der Polizei wissen noch mehr. Herr Rossegger hat nämlich einen gesetzlichen Betreuer. Weil er nicht mehr geschäftsfähig ist wegen fortgeschrittener Demenz. Er ist auch schon mehrfach weggelaufen und hat allein nicht mehr heimgefunden. Das lässt die Sache natürlich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ob er überhaupt in München ist? Ich bin mir da plötzlich gar nicht mehr so sicher.
    Der gesetzliche Betreuer hat glücklicherweise bei der Polizei seine Telefonnummer hinterlegt. Die Verbindung ist jedoch eine Katastrophe. Was kein Wunder ist, denn ich störe den Mann am anderen Ende der Welt in Orlando/Florida während eines offenbar gut besuchten Ärztekongresses. Der Lärmpegel im Hintergrund ist jedenfalls gewaltig. Er ist völlig überrascht und erklärt: »Ich verstehe das nicht. Meines Wissens befindet sich Herr Rossegger im Seniorenheim seines Heimatortes. Er wohnt dort schon seit drei Jahren. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie er nach München gekommen sein soll und bei wem er da sein könnte. Er hat dort, soweit ich weiß, überhaupt keine Anlaufstelle.«
    In der Zwischenzeit hat Herr Rossegger schon wieder zweimal angerufen, weil er Angst hat, dass wir ihn vergessen haben.
    Also Anruf im genannten Seniorenheim. Die Pflegerin dort fällt aus allen Wolken: »Das ist doch nicht möglich!« Ihr Schützling Rossegger ist nämlich schon Ende der vergangenen Woche wegen einer Beinvenenthrombose ins Krankenhaus verlegt worden – in der nahen Kreisstadt wohlgemerkt, nicht in München.
    Zwei weitere Anrufe von Herrn Rossegger, der nun

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