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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Seifert , Christian
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Kirchentrümmern eine zwar rußgeschwärzte, aber fast völlig unversehrte, große Jesus-Christus-Figur samt Holzkreuz trugen. Auch der neue Gemeindepfarrer machte neben einigen Kerzenleuchtern und Heiligenfiguren noch einen überraschenden Fund: Er stieß inmitten der Trümmer auf den Tabernakel mit dem Allerheiligsten. Außen völlig verkohlt, innen jedoch war das weiße Tuch unversehrt und die geweihten Hostien im Goldkelch waren sogar noch verzehrbar. »Das war die Gnade Gottes«, sagte der Pfarrer später tief berührt in Interviews.
    Die Brandursache war wahrscheinlich ein Kurzschluss in der Sakristei, der über Stunden unbemerkt vor sich hingeschwelt und dabei die Einrichtung, Messgewänder und Altardecken in Brand gesetzt hatte. Noch gegen Mitternacht hatte der Mesner seinen letzten Kontrollrundgang gemacht und dabei absolut nichts Ungewöhnliches bemerkt. Die Herz-Jesu-Kirche wurde einige Jahre später mithilfe von Spendengeldern wieder aufgebaut. Anstelle der alten, eher schmucklosen Kirche steht heute ein hochmoderner blauer Glasquader – eine architektonische Sehenswürdigkeit.

Der Wiesn-Krater
    Es ist mir heute noch ein Rätsel, wie die Verantwortlichen der Öffentlichkeit den drohenden Eklat so lange verschweigen konnten. In keiner Zeitung, keinem Radio- oder Fernsehsender fiel darüber ein einziges Wort – vier Monate lang! Dabei ging es schließlich um nichts Geringeres als eine zunächst völlig unkalkulierbare Gefährdung der Sicherheit des weltberühmten Oktoberfestes. Und damit spaßen die Münchner bekanntlich nicht. Niemals!
    Schuld an dieser verrückten Situation war ein Loch, das sich ausgerechnet am Vorabend der Wiesn-Eröffnung im September 1998 hinter der Stütze einer Achterbahn im Osten der Festwiese aufgetan hatte. Die Öffnung war nur etwa 30 Zentimeter breit, doch die Ursache war unklar. Irgendetwas hatte da unterirdisch nachgegeben. Aber was? Und warum? Und vor allem: wie groß und wie tief?
    Experten der Berufsfeuerwehr wurden zur Begutachtung hinzugezogen. Auf den Knien und dem Bauch rutschten die Kollegen mit starken Handscheinwerfern um das Loch herum, um dessen Ausmaße zu ergründen. Doch die tatsächliche Größe des Hohlraumes ließ sich nicht ausmachen, da weder Wände noch der Boden zu sehen waren. Das Loch einfach zu erweitern und hinabzusteigen war wegen der unkalkulierbaren Einsturzgefahr viel zu riskant. Kurzfristig wurde erwogen, Teile der Festwiese abzusperren und die Achterbahn abzubauen. Das wäre natürlich eine Katastrophe für den Fahrgeschäftsbetreiber gewesen – ganz zu schweigen von dem Presseecho und der großen Verunsicherung, die solch eine drastische Maßnahme zur Folge gehabt hätte. Am Tag vor der Wiesn befinden sich bereits Hunderttausende Touristen in der Stadt, die dem größten Volksfest der Welt regelrecht entgegenfiebern. Und alle Festwirte der großen Zelte, die Karussellbetreiber und die Standlbesitzer fürchten in den zwei wichtigsten Wochen des Jahres nichts mehr als beunruhigende Wiesn-Schlagzeilen. So lag plötzlich die schwere Last der Entscheidung auf unseren Schultern.
    In Absprache mit den Vertretern der Stadt, des TÜV, der zuständigen Behörden, der Polizei und der Festleitung sahen wir am Ende nur noch eine Lösung: Ein Bagger musste das Loch aus sicherer Entfernung erkunden. Ein normaler Bagger schied für solch ein Unterfangen allerdings aus, dazu musste ein sogenannter Seilzugbagger mit der entsprechend großen Ausladung her. Diese Riesen wurden schon damals nur noch für Abrissarbeiten eingesetzt und standen daher nicht gerade an jeder Ecke herum.
    Wir saßen also in der Leitstelle und wählten uns die Finger wund, und das ausgerechnet an einem Freitagnachmittag und keine 24 Stunden vor der Wiesn-Eröffnung. Es war zum Verzweifeln und wir fingen uns einen Korb nach dem anderem bei den Privatunternehmen ein. Nach zwei nervigen Stunden wurden wir endlich fündig, allerdings nicht in München, sondern im tiefsten Niederbayern – schlappe 140 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt. Der Zeitplan, den der Unternehmer uns unterbreitete, war jedoch ein Albtraum. 50 Minuten benötigte der Baggerfahrer, um am Standort zu erscheinen. Weitere zwei Stunden wurden für Abbau und Reisetransport veranschlagt. Als reine Fahrzeit errechnete der Unternehmer knappe zwei Stunden. Es würde also später Abend werden. Und die nächste Hiobsbotschaft ließ nicht lange auf sich warten. Für solche Transporte mit Überbreite benötigt ein

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