Notruf 112
Drei Jahre lang war die bildschöne, gebildete und ehrgeizige junge Frau mit ihrem Freund Aschkan (29) zusammen gewesen. Die angehende Juristin und der erfolgreiche Geschäftsführer schienen in jeder Hinsicht ein Traumpaar zu sein und einer glänzenden Zukunft entgegenzugehen. Ende Februar jedoch beendete Julia die Beziehung überraschend. Aschkan reagierte darauf tief gekränkt und steigerte sich in einen gefährlichen Eifersuchtswahn hinein.
Am Abend des 2. März stand Aschkan dann plötzlich wieder vor Julias Tür. Ob es überhaupt noch zu einer Aussprache kam, konnte nicht mehr geklärt werden. Kurz darauf hörten die Nachbarn Julias verzweifelte Schreie. Der kräftige Aschkan hatte das zierliche Mädchen blitzschnell mit einer Metallkette an sich gefesselt. So konnte sie nicht mehr fliehen. Dann übergoss er die Studentin und sich selbst mit zwei Litern Benzin. Zu diesem Zeitpunkt hätte wohl niemand mehr die beiden retten können. Man muss davon ausgehen, dass Aschkan dann mit Absicht eine Flamme entzündet hat.
Die schlagartig entzündeten Benzindämpfe entwickelten in dem relativ kleinen Raum einen fürchterlichen Überdruck, der zudem die Temperatur sprunghaft auf 1000 Grad und mehr hochtrieb.
Die Identifizierung der Leichen war später nur noch über eine DNA-Analyse möglich. Fehlende Rußpartikel in Julias Lunge waren ein sicherer Hinweis darauf, dass sie zum Zeitpunkt der Explosion nicht mehr geatmet hatte. Dass sie vorher bereits ermordet worden war, hielt die Polizei für eher unwahrscheinlich. Vielmehr war ihr Tod wohl die Folge der enormen Explosionsdruckwelle, die augenblicklich zum Aussetzen der Atmung geführt hatte.
Die Bilder dieses schönen Mädchens, das so gerne Sport trieb, sich für Kunst und Literatur interessierte, überall Freunde, ein so sonniges Wesen und eine lustige Schwäche für Gewürzgürkchen hatte, sind mir lange nicht aus dem Kopf gegangen. Auch die Kollegen, die damals die Leichen sahen, hatten noch lange mit diesen bedrückenden Eindrücken zu kämpfen. Wie konnte ein junger, intelligenter Mann mit glänzenden Zukunftsperspektiven zu einem solch grauenhaften Verbrechen fähig sein? Es war reiner Zufall, dass er damit nicht auch noch einige Nachbarn in den Tod mitgerissen hatte.
Wie sagte damals der Polizist bei der Pressekonferenz: »Wir müssen damit leben, dass vieles in diesem Fall Spekulation ist und wohl für immer bleiben wird.«
Lillis Rettung
Es ist wahrscheinlich die stressigste Situation, die jeden Disponenten an jeder Minute des Tages ereilen kann. Als ausgebildete Rettungssanitäter und Rettungsassistenten wissen wir alle natürlich ganz genau, wie wir in bestimmten Situationen handeln müssen. Dieses Wissen jedoch am Telefon einem Laien zu vermitteln, der gerade im völligen Ausnahmezustand ganz allein neben einem bereits blau anlaufenden Mann, einer nicht mehr atmenden Frau oder gar einem ertrunkenen Kind steht – das erfordert Nerven wie Stahlseile und erzeugt momentan einen wahnsinnigen Verantwortungsdruck. Alle Kollegen üben diesen Notfall regelmäßig. Zur Unterstützung des Disponenten haben wir im System zudem Abfrageschemata für die Telefonreanimation hinterlegt. Und zwar in mehreren Ausführungen, weil sich die Reanimationstechniken für Erwachsene, Kinder oder Säuglinge leicht voneinander unterscheiden.
Der Notruf kommt an einem Sonntagnachmittag aus dem benachbarten Landkreis – eine Laune der Telefontechnik, die uns zuweilen Streiche spielt und Anrufe aus dem näheren Umland in Münchner Funkzellen einloggt. Obwohl wir für diese Gebiete gar nicht mehr zuständig sind, bearbeiten wir diese Fälle selbstverständlich trotzdem – sofern es sich um echte Notrufe handelt. Es ist Menschen in Not wohl kaum zu vermitteln, dass sie soeben in der falschen Leitstelle herausgekommen sind. Das könnte unter Umständen sogar lebensgefährlich werden. Stellen Sie sich einmal vor, Sie werden gerade massiv bedroht, rufen die erstbeste Notrufnummer an, die Ihnen gerade einfällt, und dann sagt so ein Haubentaucher zu Ihnen: »Bedaure, Sie haben leider die falsche Nummer gewählt. Bitte wählen Sie folgende Rufnummer …« Völlig undenkbar! Solange wir die Verbindung halten, haben wir zumindest den Einsatzort und meist auch die Telefonnummer auf dem Schirm und würden in solchen Fällen parallel die zuständige Polizei, Feuerwehr oder den Rettungsdienst verständigen.
Genau so verhält es sich in diesem Fall, der aus einer kleinen Gemeinde 30
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